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Das ist die Ausgabe Nummer 100!
Grund genug fröhlich zu sein und ins Jahr Nummer 4 zu starten. Danke an alle Fans und Abonnenten. Empfehlen Sie uns bitte weiter wie und wo immer Sie können.
De Nieuwe Afsluitdijk
Dauerhörer und Abonnenten werden sich sicher daran an die Ausgabe über das Wiedersehen mit Noordholland nach 50 Jahren im Herbst des letzten Jahres ereinnern. Im Rahmen dieses Trips war ich auch bei einem beliebten Familienausflugsziel, das auch damals, 1967, auf dem Programm stand. Der Abschlussdeich ist eines der großen technischen Wunder der Niederlande. Und jetzt soll es den Neuen Afsluitdijk geben. Nicht dass er brüchig wäre, aber der Schutz ist in die Jahre gekommen und es warten Herausforderungen und Möglichkeiten, an die man bei der Eröffnung im Jahr 1933 noch gar nicht gedacht hat bzw. denken musste. Zu hören und zu sehen gibt es diesmal einen besonderen Ausflug zu einem technischen Wunderwerk und zu einer Lektion in Sachen Fischgärten, blaue Energie und Solarradwege.
Geschichte & Gegenwart
Im frühen 20. Jahrhundert kämpften die Niederlande viel zu oft gegen das Wasser und das Meer. Als die Fluten immer schlimmer wurden, sagte man sich: Da muss was passieren. Und so begann man 1927 mit dem Bau des Abschlussdeichs. Es gab mehrere Gründe: Flutsicherheit, Landausbau und die direkte Verbindung der Provinzen Noord-Holland und Friesland. Gute Gründe einen 32 Kilometer langen Deich zu bauen, eigentlich ein Damm, der mitten durchs Wasser führt. Lang ist’s her. Und dann kam der Tag vor etwa zehn Jahren, als die Verwaltungsbehörde Rijkswaterstaat verkündete, jetzt müsse wieder etwas geschehen: Der Deich sei nicht mehr stark genug, das Klima verändere sich, die Meereshöhe steige. Klare Anweisung: Der Deich muss in den nächsten 5 Jahren verstärkt werden. So wurde die Aktionsgemeinschaft Neuer Abschlussdeich gegründet. Bestehend aus 2 Gemeinden, 2 Provinzen und dem Rijkswaterstaat. Und man ging das ambitioniert an in den drei Bereichen: Ökologie, nachhaltige Energiegewinnung und dem wichtigen Bereich Tourismus.
Gegenwart & Zukunft
Mein Ausflug zum Abschlussdeich diente eigentlich der Idee, eine alte Urlaubserfahrung aufzufrischen. Das Treffen mit Gesprächspartner Rogier Monderen lenkte die Inhalte aber in eine ganz andere Richtung. So wurde das, was als nostalgischer Besuch geplant war, zu einer Lehrstunde in Sachen Klimawandel und Ökologie.
Das Projekt “Neuer Abschlussdeich” verstärkt, dem Klimawandel geschuldet, nicht nur den Deich und die Schleusen. Gleichzeitig versucht man Innovationen zu realisieren, die sowohl dem Deich, der niederländischen Wirtschaft und der ökologischen Entwicklung dienen sollen. Im Podcast wird ausführlich dargestellt, was es heißt, diese drei Faktoren miteinander zu verbinden. Reinhören lohnt sich also!
Projekt Deich und Schleuse
Sowohl der Deich als auch die Schleusen bedürfen der Renovierung und Verstärkung. Dies dient dem Wasserschutz aber auch der Ökonomie. Die Schleusen sind für die heutigen Schiffsgrößen absehbar zu klein. – Gleichzeitig baut man in die Schleusen ein Wasserkraftwerk zur Erzeugung von “Tidenenergie” ein.
Projekt Blue Energy und Solartechnik
Blue Energy ist eine Technik, mit der man Süßwasser aus dem Ijsselmeer mit Salzwasser aus dem Meer mischt. Das wirkt wie eine Batterie durch die positiv und negativ geladenen Ionen im Wasser. Die Tests sind erfolgreich. Im nächsten Schritt will man versuchen, das im großen Stil zu nutzen, um zum Beispiel Haushalte mit Strom zu versorgen.
Die Solartechnik muss warten, bis der Deich verstärkt ist. Dann sollen am Fuß der nördlichen Deichkrone Solarzellen über die ganze Länge von 32 Kilometern aufgestellt werden . Letztlich soll dann auch etwas realisiert werden, was im Binnenland schon erfolgreich getestet wurde. In die Radwege auf dem Deich werden Solarzellen im Boden verbaut.
Der Fischgarten
Ökologisch betrachtet, wurde mit dem Bau des Damms eine wichtige Migrationsroute für Fische geschlossen. Einige Fischarten migrieren vom Meer ins Süßwasser und umgekehrt. Der Damm ist da ein riesiges Hindernis. Diese Route soll mit dem „Fish Migration River“ wieder hergestellt werden. Rogier Monderen erzählte mir:
Es ist fast ironisch, denn wir machen jetzt wieder ein Loch in den Damm. Dann fließt das Wasser wieder hin und her und auch die Fische können durch. Ganz wichtig, denn das Ijsselmeer ist inzwischen ein riesiger Süßwassersee. Leider mit ziemlich wenigen Fischen drin.
Die Strömung des Wassers aus den Schleusen ist zu stark. Dagegen kommen die Fische nicht an. Also gibt es nebenan einen Durchlass von Wasser in beide Richtungen. Nun muss man aber noch etwas für die Akklimatisierung der Fische tun. Denn der direkte Wechsel von Salz- nach Süßwasser und umgekehrt bekommt ihnen nicht. Die Lösung ist der sogenannte Fischgarten. Das klingt banal, braucht erfordert aber hohen ökologischen Aufwand. Auf beiden Seiten wird quasi ein geschlungener Kanal angelegt. So haben die Fische Gelegenheit sich an das andere Waser zu gewöhnen. Dieser Fischgarten ist, damit auf engem Raum, mehrere Kilometer lang. Und im Gegensatz zur Schleusenströmung ist der Fischgarten immer geöffnet. Nur im Falle einer Sturmflut, wird das Loch im Deich natürlich geschlossen. Wie der Fischgarten funktioniert, lässt sich am einfachsten im Video erklären, das man sich im 3D im neuen “Wadden-Center ansehen kann.
Tourismus und “Wadden-Center”
Etwa 300 Tausend Besucher, vorwiegend aus dem Ausland, zählt man am Afsluitdijk jedes Jahr und diese Zahl möchte man gerne erhöhen. Den Aussichtsturm will man deshalb renovieren und attraktiver machen. Man wollte aber auch eine Attraktion schaffen, die Besucher anzieht und gleichzeitig aufklärt in Sachen „Neuer Abschlussdeich“. Die ökologischen Projekte werden dort vorgestellt und gleichzeitig wird Geld verdient mit einem Restaurant. Dieses Projekt war im letzten Herbst noch Rohbau, wurde Ende März 2018 eröffnet und zählte innerhalb von drei Wochen schon 10 Tausend Besucher. Es ist das „Wadden-Center“ in Kornwerderzand auf der friesischen Seite.
Es ist ganzjährig geöffnet, präsentiert Virtual Reality aber auch geführte Info-Touren und bietet natürlich die Chance etwas zu Essen und zu Trinken. Der Abschlussdeich als Gesamterlebnis soll den Besucher präsentiert werden. Die neuen ökologischen Projekte stehen dabei im Vordergrund. Man will damit auch Geld verdienen, denn davon kann die ganze Regionen profitieren.
Rogier Monderen betont, es sei eine großartige Kooperation von Staat und Privatwirtschaft. Hier werde das präsentiert, wofür wir Niederländer berühmt sind: Das „Delta Design“, Produkte zum Wasserschutz und für die Ökologie. Man setze dabei, neben der Attraktion, auf die Präsentation von Produkten, die der niederländischen Wirtschaft auf die Sprünge helfe. So profitiere nicht nur die Region, sondern hoffentlich auch die Exportwirtschaft.
Das ist ganz schön ambitioniert und selbstbewusst. – Aber, wenn es funktioniert, kann der Beweis erbracht werden, dass sich auch mit ökologischen Projekten Geld verdienen lässt. Allerdings: Erst muss mal die Investition von etwa einer Milliarde Euro wieder rein in die Kasse.
Information:
Die Recherche zu diesem Reiseradiobeitrag wurde unterstützt von VVV-Hart Van Noordholland und von NBTC – Niederländisches Büro für Tourismus & Convention. – Diese Unterstützung hat keinen Einfluss auf eine unabhängige Berichterstattung zum Thema!
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