D-RR295 – Papier, Kunst & Sauna: Serlachius in Mänttä

Foto: Serlachius / Olli Huttunen

Wer glaubt, dass man Sauna mit fast allen Gelegenheiten des Lebens verbinden kann, ist in Finnland richtig.

Im letzten Teil der finnischen Storys geht es raus aus Tampere nach Mänttä in eine Region, die berühmt ist für die Herstellung von Papier. Es geht aber gleichzeitig in das Museum einer der größten nordischen Stiftungen für Kunst und auch dort in die Sauna. Es ist nicht irgendeine Sauna. Es ist die Taidesauna, die einzige finnische Kunst-Sauna.

Der Eingang in die Taidesauna – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Mitten im Nichts

Die Überschrift ist eventuell ein klein wenig übertrieben. Aber ich habe diese Formulierung von dort mitgebracht.

Mänttä liegt eine gute Autostunde von der Metropole Tampere entfernt. Es geht über eine normale Landstraße, fast durchgehend durch eine Wälder- und Seenlandschaft. Unser Ziel das Serlachius Kunstmuseum und dessen Kunstsauna.

Dieser Podcast ist die Einladung in eine gigantische Kunstsammlung irgendwo zwischen Vielleicht und Wahrscheinlich sagt der Deutsche und damit wären wir wieder bei der Schlagzeile.

Mänttä hat etwa 9.000 Einwohner. Hier gibt’s Wälder und viel Holz. – Der erste der Serlachius-Gründerväter kam hier um 1860 an und gründete eine Holz- und Papierfabrik. Die nachfolgenden Generationen, also Serlachius 2, 3 und 4 legten den Grundstein zur Kulturoase. Die Familie lebt hier schon lange nicht mehr. Die Papierfabrik aber produziert immer noch. Hinter vorgehaltener Hand spricht man von der Haupteinnahmequelle: Klopapier!

Serlachius Stiftung für bildende Kunst

“Herrenhaus” der Familie Serlachius (rechts) und das Kunstmuseum – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Gegründet hat die Stiftung Gösta Serlachius im Jahr 1933. Er hatte nicht nur Kunst im großen Stil gesammelt, er wollte sie schützen und bewahren und war zeitlebens auch davon beseelt, seine Heimat Mänttä durch Kunstwerke zu verschönern. Und so ist das bis heute geblieben.

Das eindrucksvolle Museum, die vielen Kulturaktivitäten und die Kunstschätze der Dauerausstellung sind der Stiftung zu verdanken. Sie verwaltet eine der renommiertesten Kunstsammlungen Finnlands, kümmert sich um deren Bewahrung und hat sich die Verschönerung der Gemeinde Mänttä-Vilppula vorgenommen.

Auch ein Monet gehört zur Bildersammlung – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Zeitgenössisches von Anselm Kiefer (2018) – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Das gelang ganz prächtig. Ganz nebenbei, keiner spricht laut darüber, verfügt die Stiftung über Geld, sehr viel Geld. Den Grundstock legten Holz und Papier, das Kapital der Region mitten im Nichts.

Serlachius Museum, Kunstzentrum und Kunstsauna kennenlernen

Die sicher viel zu kurzen Einblicke gab mir / uns Katariina Jeger. Sie führte uns übers Gelände, stellte Familie und deren Philosophie und Anspruch vor und präsentierte Herrenhaus, Skulpturengarten, Museum und natürlich die Taidesauna. Im Podcast gibt es viel mehr zu hören.

Gebäude und Skulpturengarten – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT -BILD

Museum und auch die Kunstsauna sind, gemessen an der Tradition der Familie Serlachius erst kürzlich (ab 2014) dazugekommen. Das Herausstechende ist die Tatsache, dass Hochkultur und profane Sauna hier wie selbstverständlich zusammengehören. Besucher kommen, auch im Winter, aus dem 100 Kilometer entfernten Tampere und genießen das Gesamt“produkt“. Vielleicht erst in die Sauna, dann ins Restaurant und danach Kunst ansehen oder, je nach Angebot, ein Konzert erleben oder auch umgekehrt. Einfach so. Das ist bemerkenswert.

Und so ist Serlachius hohe Kultur und gleichzeitig so offen, wie ich solche Erlebnisse bisher kaum wahrgenommen habe. Nicht umsonst sprechen die Organisator:innen auch davon, dass sie aufgrund der Lage viel mehr sind, als eine kulturelle Institution.

Serlachius als Touristenattraktion

Das Museum am See – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD 

Unsere Guide Katariina Jeger betont ganz selbstverständlich:

Wir sind in erster Linie Museum, aber aufgrund unserer einsamen Lage sind wir auch zur touristischen Sehenswürdigkeit geworden. Beides gehört zu unserer Identität. Deshalb sind wir so offen was die Erfahrung des Anschauens und mehr betrifft.

Und wie überall in Finnland ist alles mit dem wichtigsten Gut des Landes verbunden, der unglaublich schönen und beeindruckenden Natur.

Man besitzt eine hauseigene Insel. Der Weg in die Natur beträgt nur wenige Meter. Um die Erfahrung auszuweiten stellt man Besuchern kostenlos Fahrräder für Ausflüge oder auch Ruderboote für die Fahrt auf dem angrenzenden See zu Verfügung. Dies auch aus der Bewahrungshaltung heraus, denn man soll das Auto stehen lassen. Wie sagt Katariina so treffend:

Nähere Dich der Natur mit Deiner natürlichen Muskelbewegung in frischer Luft.

Da liegt auch der Satz nahe: Und wärme Dich anschließend auf.

Taidesauna – die Serlachius Kunstsauna

Kunst Sauna / Serlachius – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Unterhalb des Museumsneubaus, direkt am See befindet sich diese Attraktion, die Kunst und finnisches Lebensgefühl ganz besonders gut verbindet. Sie ist ein sehr modernes, architektonisches Juwel aus der Ideenschmiede dreier spanischer Architekt:innen. Es warten wohnlichen Aufenthaltsräumen und die holzgetäfelte, rund gebauten Sauna, die den Blick auf See, Wald und Wiese freigibt.

Kunst-Sauna: Ess- und Tagungsbereich – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Auch die Sitzmöbel sind Kunst – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Sie ist gleichzeitig auch eine Eventlocation. Hier kann man fast Alles veranstalten von Firmenseminaren bis zu Omas 80. Geburtstag. Diskutieren, Leitbilder entwickeln oder auch feiern. Und zwischendrin gehen mann und frau eben in die Sauna und tauchen anschließend am Badesteg ins frische Seewasser oder (im Winter) in ein Eisloch ein.

Die Sauna kann man komplett mieten (Catering inklusive). Jeden Dienstag ist die Kunst Sauna aber öffentlich zugänglich. Die Zahl der Besucher ist begrenzt, eine Reservierung empfiehlt sich.

Der Badesteg zum See – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Kunst Sauna: Das Herzstück – Foto: Serlachius / Sampo Linkoneva

Das mit der Kunst-Sauna muss man wörtlich nehmen. Im angrenzenden Empfangsbau hängt und steht jede Menge Kunst, vom Bild bis zum Möbelstück. Sogar die Wandgestaltung der Außendusche besteht aus wetterfester Kunst.

Culinary Art

Ja auch kulinarisch wird gezaubert. Das im Museum integrierte „Ravintola Gösta“ (Restaurant = Ravintola im finnischen) ist immer geöffnet, wenn auch das Museum zugänglich ist.

Ravintola Gösta – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Küchenchef Henry Tikkanen sei auf dem Weg zum ersten Michelin-Stern. Fast noch wichtiger ist ihm die Aufnahme in die „360 Grad-Liste“ der nachhaltigen Restaurants. Dies seit dem Winter 2024/25. Damit wird Engagement in Sachen Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Bezogen nicht nur auf die Zutaten, sondern als Gesamtprodukt, bis hin zur sozialen Nachhaltigkeit.

Ravintola Gösta: Aus der Küche von Henry Tikkanen – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Seine Spezialität: Süßwasserfische aus den vor der Tür liegenden Seen. Und da entsteht dann auch schon mal kurz marinierter, roher Zander mit Zwiebeln, Kräutern und einem Avocado-Mus. Letzteres ist eine Ausnahme, denn Henry ist ein absoluter Vertreter der Regionalküche.

Festivals

Im Sommer ist, wie überall im Norden natürlich besonders viel los. Die Serlachius-Stiftung nutzt die Sommermonate Juli und August seit Jahren für zwei Festivals.

Nummer Eins kommt kulinarisch rüber. Henry Tikkanen lädt Top-Köche aus Finnland, aber auch dem Ausland zum „Mänttä Food Festival“ ein, um gemeinsam – inspiriert von ausgestellter Kunst – fünf kulinarische Kunstwerke auf den Teller zu zaubern. Das ist seit Jahren ein absoluter Renner bei den Gästen.

Nummer Zwei ist für die Ohren. DasMänttä Music Festival“ versammelt jedes Jahr begabte und auch prominente Pianisten ein um im Museum Konzerte zu geben. Künstler und Programm sind international. Das Motto: Weltklasse Klaviermusik umgeben von Kunst und Natur. Das Music Festival 2026 findet vom 28 Juli bis zum 2. August statt.

Man legt Wert auf eine intime Atmosphäre. Es sei immer wie ein Familientreffen, sowohl von Künstlern als auch vom Publikum.

Skulpturengarten am See – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Ungewöhnlich anziehend

Natur, Kunst, Kultur, Musik und Sauna. Mehr auf einem Fleck geht eigentlich kaum. Es ist deshalb vermutlich auch ein Traum für Jeden, der all das kombinieren will, darf und kann.

Wenn dann noch die finnische Sonne über See und Mänttä steht, gibt es vermutlich kaum noch Steigerungsbedarf.

Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Information

Serlachius

Tampere

Finnland

Mänttä

Hinweis

Die Recherche für diesen Podcast wurde unterstützt von Visit Tampere und Finnair. Meine Meinung und Berichterstattung wurde davon nicht beeinflusst.


 

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