D-RR291 Fische, Umwelt & Konserven: Algarve & Mee(h)r

Sunset an der Algarve - Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Da wär ich jetzt gerne: Urlaub am Meer. Urlaub am Atlantik, Ferien an der Algarve, Portugals südlichster Festlandprovinz. Ein Ziel zu jeder Jahreszeit.

Letztes Jahr war ich dort für Euch und habe ganz andere Dinge kennengelernt. Da war es schon Oktober, die Strandzeit ging selbst für die Touristen langsam aber sicher zu Ende.

Die Zeit, auch mal ganz anderen Dingen in dieser Region nachzugehen.

Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Der Portugiese und das Meer

Auf dieses Thema werden wir auch in weiteren Podcasts zurückkommen, hängt doch soviel Glück und auch Tragik der Portugiesen am Meer. Aber, wie ist das für die Menschen, die dort dauerhaft leben?

Meer kann so schön sein und glücklich machen. Es kann aber auch tückisch sein und risikoreich. Die Einstellung der meisten Portugiesen: Wir lieben das Meer, auch wenn es nicht immer nett zu uns ist. Es liefert uns Geschichten und Geschichte. Bemvindo a Portugal und Willkommen an der Algarve

Geschichten vom Meer und der Natur

Diesmal geht’s ums Meer mit Geschichten und Reportagen von Wasser, Fisch und Meeresfrüchten, aber auch von Konservendosen, Genossenschaften und kulinarisch vermeintlichem Luxus. Dies alles ist zu erleben an der Algarve der südlichsten Festlandprovinz Portugals.

Und es gibt Begegnungen: Ganz menschlich, ganz natürlich, ganz heimatliebend ganz genüsslich. Ein paar „Aha-Erlebnisse“ sind inklusive.

Diana und die Heimatliebe

Panorama von Olhão – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Diana Nunes wartet an der Promenade des Yachthafens von Olhão im Osten der Algarve. Stadt und Sporthafen liegen östlich der Hauptstadt Faro und dem Einflug-Airport der Region. Vor dem Hafen liegt die Lagune des Nationalparks Rio Formosa und ein wenig draußen gibt es eine Insel, die Diana mit uns besuchen möchte. Auf ihrer Website findet sich die Schlagzeile:

YOUR PORTUGUESE STORYTELLER

Sie ist „Lady Boss“ oder EO bei Portugal4U, sie kennt sich aus und sie ist überaus engagiert in Sachen Corporate Social Responsibility (CSR). Dazu gehört auch unser Ausflug nach Culatra und die Vorstellung der zahlreichen Ideen.

Culatra Island on the path towards energy Transition and Sustainability!

Anspruch von 1.000 Insulanern: Culatra auf dem Weg zur Energiewende und zur Nachhaltigkeit. Das Erstaunliche dabei: Hierzulande diskutieren und diskutieren wir, meist ohne konkretes Ergebnis. Die Bewohner von Culatra machen das einfach mal.

Mehr dazu erfahrt Ihr in diesem Podcast. 

Culatra

Culatra hat sich ein Manifest gegeben, in Sachen soziale Verantwortung und insbesondere Nachhaltigkeit. Jeder kann den Anspruch bei Ankunft auf der Insel nachlesen.Auch der Besuchende wird aufgefordert durch sein Verhalten zu unterstützen.

Diana und das Inselmanifest – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Angekommen auf der Insel zeigt sich das folgende Bild zur Einstimmung:

Chillen unter Solarpanelen: Hafen von Culatra – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Ältere Männer sitzen im Schatten am Hafen unter einem Dach. Auf dem Dach flächendeckend Solarzellen. Das sei die Chilling-Zone der Insel, denn hier arbeiteten die Menschen weit über die übliche Rentenalter hinaus. Sie gehören zum Leben auf Culatra.

Culatra-Facts

Culatra ist eine kleine Insel im Naturpark Rio Formosa, in Sichtweite zu den Algarve-Städten Olhao und Faro. Sie ist Heimat für 400 Familien.

Es gibt eine Grundschule für die 20 Kinder, ein Sozialzentrum mit Kindergarten und einer Küche, die die alten Mitglieder der Gemeinde mit täglichem Essen versorgt.

Es gibt keine Autos, für die Fischer zwei Traktoren und 2 elektrische Golf-Carts. Auf fast allen Dächern sind Solarzellen, die 35 Prozent des Strombedarfs decken. Der restliche Strom kommt vom Festland. Noch! Es gibt keine Polizei auf der Insel. Kriminalität gleich Null, sagt Diana. Alle Häuser sind offen.

Es gibt eine Krankenschwester auf der Insel, die rund um die Uhr ansprechbar ist. Es ist ein Ambulanzboot vorhanden und für absolute Notfälle einen Hubschrauber-Landeplatz. Einen Zahnarzt gibt es nicht, Dafür muss man aufs Festland.

Der Hafen von Culatra – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Plastikmüll und Nachhaltigkeit

Beim Schreiben musste ich an die Insulaner von Culatra denken. Vermutlich sind die Menschen auf der Insel entsetzt, dass die UN-Konferenz in der letzten Woche nicht in der Lage war, ein globales Abkommen gegen Plastikmüll in den Meeren und generell zu verabschieden. Es ist doch so einfach, wenn man tatsächlich macht. Die Fischer von Culatra bringen icht nur Fische, sondern auch jede Menge Müll aus dem Meer von jeder Ausfahrt mit.

Es ist schon viel geschehen, aber das Ziel ist hoch gesteckt: Entstehen soll eine Gemeinde der erneuerbaren Energien in Verbindung mit Modellen für das Management von Energie, Müll, Wasser und sozialer Verantwortung. Und natürlich stehen auch noch ein paar Pläne zur Realisierung an.

Silvia, die Inselpräsidentin

Das klingt alles so problem- und reibungslos. Das war es sicher nicht und ohne Silvia wären wir nicht so weit hier, meint Diana. Silvia Padinha ist seit fast 30 Jahren die gewählte Präsidentin der Bewohner Culatras. Silvia besuchen wir zuhause. Bei Sekt, Wein und Austern berichtet Silvia von ihren Projekten. Dabei werden auch wirtschaftliche Fragen aufgeworfen: Der Beginn der Austernzucht vor 20 Jahren, die Klärung der Nachfolge in den Betrieben mit Fisch-, Muschel- und Austernproduktion.

Macherqualitäten

Silvias Energie und Hartnäckigkeit schätzen die Mitglieder der Kooperative inzwischen, auch wenn das gedauert hat. Letztlich hat sie aber immer wieder überzeugt, auch als sie mit den Gedanken von sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit „rüberkam“. Ich sitze da auf der Terrasse und denke: Wow! Diana wie Silvia, was für starke Frauen.

Zwei starke Frauen: Diana Nunes (links) und Silvia Padinha – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Culatra, kulinarisch

Das ist eher eine Geschichte in Bildern, von den Austern bis zum Peixe-Aranha, dem stechenden Petermännchen. Bei allem Engagement legt man auf Culatra Wert auf kulinarische Verzückung. Zumindest setze diese bei meinen Mitreisenden und mir ein. Schmecken können wir nicht bieten, dafür aber anschauen.

Austern mit Spezialdressing bei Silvia – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Peixe-Aranha, Filet vom Petermännchen im Fischlokal – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Ameijoas (Venusmuscheln) – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Camarãos / Garnelen – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Olhão oder der Niedergang der Ölsardine

Portugal und auch die Algarve waren berühmt für Fischkonserven. Erinnerung an meine Kindheit: Brot mit Ölsardinen aus der Dose „ohne Haut und ohne Gräten“. Wahrscheinlich stammten einige dieser Abendessen direkt von der Algarve. Mit vielen neuen Vorschriften in Sachen Hygiene (was ja nicht verkehrt war) schaufelte sich die Fischkonservenindustrie ihr eigenes Grab. Die Hochburgen dieses verstorbenen Wirtschaftszweigs waren Portimão und Olhão.

Murals: Wandmalerei zur Fischproduktion an einer alten Konservenfabrik – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Murals: Erinnerung an goldene Zeiten – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Heute sind die Fischfabriken von Olhão noch gut für die Murals, die großen Wandmalereien an den ehemaligen Fabrikgebäuden. Diana hat uns auch noch mitgenommen in die Stadt, aus der wir gestartet sind und über die traurige Historie berichtet. Das hatte Folgen. Wie sagt Diana im Podcast so richtig:

Wenn Du mich vor 20 Jahren nach Olhão gefragt hättest, wäre die Antwort gewesen: Hohe Kriminalität und schmutzig.  

Es hat ziemlich lang gedauert, bis sich die Stadt wirtschaftlich erholte. Heute steht sie, schön restauriert wieder gut da. Eine schöne Promenade und die restaurierte Markthalle zieht Besucher an.

Markthalle in Olhão – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Das ist auch dem Tourismus zu verdanken und den hier reichlich vorhandenen Einwanderern aus Norwegen, Schweden, Frankreich und Italien. Krisen wirken mitunter ziemlich lange nach. Von den 75 Konservenfabriken ist keine übrig geblieben.

Doch es gibt symbolische Hoffnung. Seit 10 Jahren gibt es wieder eine Firma, aber nicht in Olhão und selbst dieser Betrieb ist gewissermaßen eine Replik. Sinnigerweise entstanden aus der fixen Idee eines Belgiers, der sich vor gut 12 Jahren mit dem Niedergang der Fischkonserven-Produktion an der Algarve beschäftigte. Im Museum von Portimão, dem zweiten Konserven-Hotspot der Algarve.

Das wollte ich sehen. Also hin!

Estombar und die Auferstehung

Das Ziel der Begierde, die „Conserveira do Arade“, ist zuhause in Estombar, auf halber Strecke zwischen Lagoa und Portimão im Zentrum der Algarve-Küste gelegen. Es ist eine kleine Fabrik, besser Manufaktur, die neue Wege ging, auch wenn es heute dort wieder die gute alte Ölsardine gibt, neben vielen anderen Verlockungen.

Ölsardinen und viel viel mehr – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Für die Idee brauchte es einen, auf den Blick, durchgeknallten Belgier. Vincent Vanquère begegnete der 1994 endgültig beendeten Konservenindustrie im Museum. Und er hat mir die ganze Geschichte im Podcast erzählt. Seine Bilanz nach 10 Jahren:

Heute sind wir neun Personen. Weit entfernt vom Großbetrieb, aber wirtschaftlich stabil und profitabel. Wir könnten mit einem anderen Geschäft sicher mehr Geld machen, aber so sind wir sehr viel glücklicher.

Dieses Glück spürt man und schmeckt man, in den Spezialitäten aus dem Glas (Marke: SABOREAL) und den Fischkonserven (Marke: Papa Anzóis).

So lebt auch das Handwerk der Fischkonserve weiter. Klein, bescheiden aber innovativ. Die Produkte sind teurer. Sie sind aber auch hochwertiger, durch qualifiziertes Handwerk. Die simple Sardine mag der Vergangenheit angehören. Dafür ist die neue Ölsardine, größer, wertvoller und geschmacklich abgestimmter. Viele Geschäfte der Region verkaufen die Produkte. Für den Export reicht die Kapazität noch nicht aus.

Sardine an Öl – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Touristen können eine Führung durch den Kleinbetrieb machen. Höhepunkte: Verkostung. Erkennen, dass man da was unglaublich Leckeres probiert. Und letztlich auch der Griff ins Einkaufsregal der Conserveira do Arade. Die Herstellenden freuts. Und dieses Mitbringsel wird trotz des Transports weder zerbröseln noch auslaufen. Ist ja ne Konserve, und was für Eine.

Freude zum Schluss

Die Erlebnisse sind eindrücklich und wirken nach. Und trotzdem, ich bin ja auch Tourist (irgendwie), ein Gedankenbild zum Schluss. Importiert aus Culatra:

Es ist Sonntag und in unserer Fischtaverne sitzen hauptsächlich Portugiesen auf der Sonnenterrasse. Wein auf dem Tisch. Brot mit Sardinenpaste, die Muscheln, Garnelen und der nicht mehr stechende Peixe-Aranha. Die Sonne scheint auch noch, im Oktober. Ein inspirierend-kulinarisches Erlebnis. Das Leben ist immer noch und manchmal gar nicht so schlecht.

Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Information / Links

Culatra 2030

Conserveira do Arade (Saboreal & Papa Anzois)

Touren mit Diana und Portugal4U

Visit Algarve


Hoteltipps

(Werbung)

Real Marina Hotel & Spa, Olhao

Real Marina Hotel & Spa, Olhão – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Martinhal Sagres Beach Family Resort Hotel

Martinhal Beach Family Resort, Sagres – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Hinweis

Die Recherche für diesen Podcast wurde unterstützt von Visit Algarve. Meine Meinung wurde davon nicht beeinflusst. Für die Nutzung eingefügter Links auf dieser Seite erhalte ich keine finanzielle Beteiligung und habe keine Vorteile. Sie sind Teil der journalistischen Informationspflicht.


 

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