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Die Ausgabe Nummer 8 des Reiseradios führt nicht nur in ein Land oder eine Region, sondern auch in eine Kultur. Die weit verbreitete Unkenntnis über Indianer und die unendlich vielen falschen Geschichten über die Besiedlung des nordamerikanischen Westens haben dazu geführt, dass unser Bild der Ureinwohner dieses riesigen Landes immer noch von Westernfilmen a la Hollywood und ein wenig Karl May Roman geprägt ist.
Ja, Manches ist so. Aber Vieles ist sehr weit entfernt von der tatsächlichen Kultur und Geschichte dieser Menschen. Wer heutzutage aufbricht, um dem kulturellen Erbe der Indianer auf die Spur zu kommen, kann zum Beispiel in den US Bundesstaat Arizona fliegen: Viel erleben, noch mehr lernen und sehr viel Erfahrung nach Hause transportieren. – Die Kulturgeschichte kann unterschiedlicher gar nicht sein. Die Mär vom Indianerstamm, der ausschließlich in Tipizelten mitten in der Prärie lebte und sich hauptsächlich von Bisonfleisch ernährte, ist grundverkehrt. Sicher haben einige Stämme so gelebt, aber es gab auch Stämme, die bereits in frühester Zeit beeindruckende Bauwerke schufen, sesshaft waren und als Bauern für ihren Unterhalt sorgten.
Wo bewegen wir uns? USA – Nord-Arizona – und dort genau im Bereich um Sedona und das Verde Valley. Das Tal heisst grünes Tal, weil ein Fluss durchfliesst und sein Wasser bringt Leben in die Region. Kein Wunder, dass hier schon vor 3000 Jahren Menschen lebten und eine einzigartige Kultur schufen. Bereits 10.000 vor Christus kamen die ersten Bewohner nach Arizona. Die indianischen Ureinwohner – “Anasazy” genannt – siedelten dort. Und wer bislang bei Indianern immer an primitive Kulturen gedacht hat, der wird mit offenem Mund dastehen, wenn er den heutigen Nationalpark „Montezumas Castle“ betritt. Es ist eine Felsensiedlung, die in einer Höhe von etwa 240 Metern in eine Klippe gebaut ist. Die “Senagua” haben sie gebaut, etwa 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung und wer jetzt noch an der Intelligenz dieses Volkes zweifelt. – Auch weitere Siedlungen, wie die historischen Stätten von Palatki und Honanki, belegen das.
Etwas näher kommt man den landläufigen Indianervorstellungen schon beim Besuch einer weiteren Kultstätte etwa 50 Kilometer weiter im Verde Valley. Das Stichwort Pueblostil hat man auch als aufmerksamer Karl May Leser schon einmal wahrgenommen. “Tuzigoot”, ein frühes Pueblo, ist ebenfalls ein nationales Monument, das einen ins Staunen versetzt. Es sieht von weitem aus, wie eine kleine flache Burg, die auf einen Hügel in der Wüste gebaut wurde. Auch hier ist die archtitektonische Leistung enorm. Hier waren es frühe Hopi-Stämme, die das Kunstwerk bauten, das viele Jahrhunderte verschüttet war und erst im 20. Jahrhundert wieder ausgegraben wurde.
Mit der Eroberung des Westens traf nun indianische Kultur auf den Eroberungsdrang der Siedler. 1821 fiel Arizona an die USA und die planmäßige und massenhafte Besiedlung des Westens begann über den sogenannten „Santa Fe – Trail“. Arizona ist zu einem großen Teil geprägt von Wüstenlandschaft, von daher war es kein Wunder, dass Siedler und bereits dort lebende Indianerstämme in den wenigen Landstrichen, die Wasser und fruchtbaren Boden hatten, aufeinander prallten. Zum Schutz der Siedler wurden Forts errichtet. In den ersten Jahren und unter dem militärischen Kommando von General Crooke, sah es auch fast nach einer halbwegs gewaltfreien Koexistenz aus. – Das erste Reservat für die Stämme der Apachen und der Yavapai wurde eingerichtet. Das war 1870. Aber dabei blieb es nicht. Man siedelte die Reservate mehrmals um. Einmal mitten im Winter, quer durch die Wüstenberge. Der “San Carlos Pass March” ging in die Geschichte ein, als schlimmste Indianerdezimierung durch das amerikanische Militär. Der Hintergrund war wie so oft Gier: Gier nach Wasser und Land und Gier nach Bodenschätzen wie zum Beispiel in der Bergbaustadt Jerome.
Vertreibung, Tötung, Entrechtung, damit lässt sich die Geschichte der Indianer in einer Schlagzeile zusammen fassen. – Das mag schreclich sein, wen man es aus der Entfernung betrachtet. Aber wie ist das Gefühl, wenn man in Arizona ist und plötzlich sagt jemand: Lass uns mal zu einem Medizinmann gehen. Lern einen Indianer kennen! –Begreife ein wenig besser, was es heisst Indianer zu sein. – Da prallen Hemmungen und Faszination aufeinander, wenn man vor einem ganz normalen Einfamilienhaus mitten in Sedona steht. Zu Besuch bei Uqualla vom Stamm der Havasupai. Klopfen. Freundliche Begrüssung. Nicht vergessen: “Zieh die Schuhe aus, wenn Du das Haus betrittst”. – Auf den ersten Blick, eine ganz normale amerikanische Wohnung. Abtasten, abschätzen und dann die Aufforderung: Komm mit in meinen Meditationsraum. Die Erfahrung einer “Healing Session” beeindruckt tief.
Man trifft auf tiefgründige und naturorientierte Philosophie. Philosophie in den den 1980er Jahren wieder auflebte: Unter Weißen. Die “New Age People” überschwemmten damals das Verde Valley und das Städtchen Sedona auf der Suche nach dem Heil der geistigen Stätten, der “Vortex-Sites”. Erst später stellte sich heraus, dass viele dieser Stätten, mit den heiligen Plätzen der Indianer räumlich absolut identisch waren. Wir berichten auch über die Diskriminierungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein und über die Versuche der heutigen Bewohner von Reservaten ihr Leben zu organisieren, sowie Sprache und Kultur zu retten. Darüber hinaus lässt sich bei einem solchen Trip phantastische Landschaft und auch viel Einsamkeit erleben. Und Letzteres ist vielleicht sogar eine Grundbedingung für echte, tiefgreifende Erfahrung.
Ein Urlaub in dieser Region ist, bei aller Eindrücklichkeit auch ein besonderes Erlebnis und es müssten nicht die USA sein, gäbe es inzwischen nicht eine ausgereifte Infrastruktur für das besondere Abenteuer.
Fotos: Rüdiger Edelmann, www.uqualla.com
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