Die Empörung der möglicherweise Betroffenen ist groß: Reiseverbot, Einschränkung eines Grundrechts, Zerstörung eines Wirtschaftszweigs. Rund 30 Prozent aller Reisevermittler seien jetzt schon von einer Insolvenz bedroht, resümiert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag.
Dann ist da Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich ernsthaft und glaubhaft sorgt wegen der Entwicklung der Pandemie und die zusätzlichen Gefahren von außen.
Drittens gibt es den Unmut über die Tatsache, dass es mit dem Impfversprechen nicht klappt, viele Impfzentren, vier Wochen nach dem angeblichen Start der Massenimpfungen noch nicht einmal geöffnet wurden, die angekündigten Impfstofflieferungen ausbleiben, Gesundheitsbehörden immer noch per handgeschriebener Zettel und Fax kommunizieren, das „Home-Schooling“ nicht existiert, regelmäßig wahlweise zusammenbricht oder gehackt wird. Dann ist da noch die Sache mit dem nicht durchsetzbaren Home-Office-Gebot, das zu freundlichen Bitte an die entsprechenden Arbeitgeber verkümmerte.
Letztlich sinkt das Vertrauen in die Politik. Das führt dann zu Ignoranz und Impfablehnung. Wie hieß der Sponti-Spruch der 68er? „Sie wollen unser Bestes, kriegen’s aber nicht.“ – Daran erinnert mich die derzeitige Debatte. Ja, ich verstehe die ehrliche Sorge von Angela Merkel um Gesundheit und Pandemieentwicklung. Ich verstehe aber auch die Existenzängste der Tourismusbranche und den Ärger um die Ignoranz gegenüber ernst gemeinten Hygienekonzepten. Was ich nach wie vor nicht verstehe ist das Kleinreden der derzeitigen Krise, die Ignoranz gegenüber wichtigen Schutzmaßnahmen und den unbeschreiblichen Egoismus Einzelner, wenn es um ganz persönliche Interessen geht. Und noch einmal: Nein, ich muss in Pandemiezeiten keine Geburtstagsparty im Hinterhof mit 8 Freunden feiern, auch wenn mir ein Gericht bestätigt, dass ich dafür kein Bußgeld bezahlen muss.
Das schlimmste Szenario ist in meinen Augen aber die jetzige Diskussion, die solange geführt wird, bis Flugstopps und Grenzkontrollen unnötig werden, da das mutierte Virus ohnehin schon angekommen ist. Und dann? – Antwort offen, bei allen Verantwortlichen.
Das sind die Reiseradio-NEWS des Tages
Corona-Statistik
Nach den Angaben des Johns-Hopkins-Instituts in Baltimore (USA) hat die Zahl der weltweiten Corona-Infektionen inzwischen die Marke von 100 Millionen überschritten. Die Zahl der Todesopfer wird in der Statistik mit 2,1 Millionen ausgewiesen.
Die Länder mit den höchsten Inzidenzraten seien derzeit Portugal, Israel, Andorra, Spanien, Montenegro und die Tschechische Republik. Die höchste Zahl der bestätigten Todesfälle wird nach wie vor aus den USA gemeldet. Sie liegt bei etwas über 423.000.
„Reisen unattraktiv machen“
Dieses „BILD“-Zitat der Bundeskanzlerin und die Folgeverlautbarungen des Innenministers sorgen nicht nur bei potentiellen Urlaubern der nächsten Wochen, sondern insbesondere in der Reisebranche für Aufregung und Empörung. Die, eigentlich vertrauliche, Nachricht lautet: Reisen so unattraktiv wie möglich zu machen, den Flugverkehr weitgehend einschränken, wenn es kein Reiseverbot geben darf. Soweit die durchgesickerte Information.
Der Deutsche Reiseverband (DRV) hat darauf reagiert. In der, am gestrigen Nachmittag, veröffentlichten Erklärung heißt es:
Seit Monaten hat die Bundesregierung touristische Reisen de facto verboten. (…) Statt auf weitere Verbote zu setzen, sollte sich die Regierung endlich an die Arbeit machen, für die Zeit nach der zweiten Corona-Welle vernünftige Testkonzepte vorlegen und beim Impfen einen Zahn zulegen. Das wird der Branche eine Öffnungsperspektive bieten und auch den Menschen in unserem Land Zuversicht geben. Zudem sollte sich die Bundesregierung in der öffentlichen Debatte dringend darauf besinnen, dass Reisefreiheit ein Grundrecht ist – kein politisch zu gewährendes Privileg.
Schon jetzt seien touristische Reisen durch staatliche Entscheidungen fast vollständig zum Erliegen gekommen. Der Geschäftsreisesektor läge völlig am Boden. Man brauche keine weitere Stigmatisierung des Reisens, sondern eine sachliche Debatte. Bereits im Vorfeld der gestrigen Nachrichten hatte der DRV noch einmal einen Tourismusgipfel mit Politik und Reiseindustrie gefordert. Dies hatte Wirtschaftsminister Peter Altmeier auf der DRV-Jahrestagung zwar zugesagt, aber keine Termine genannt.
Auch die EU-Kommission fordert neue Reiseregelungen und Beschränkungen. Wir berichteten gestern in den Reiseradio-NEWS darüber.
Virologe Drosten stützt Reise-Einschränkungen
Angesichts der langsam zurückgehenden Infektionszahlen im eigenen Land, sei es jetzt besonders wichtig, sich vor den Virusmutationen schützen. In den ARD-Tagesthemen sagte Christian Drosten, dass die Einschränkung von Einreisen aus dem Ausland sinnvoll sei:
Je mehr wir bremsen, desto wichtiger wird das, was von außen eingeschleppt wird.
Illegaler Wintertourismus
Es mehren sich die Verdachtsfälle von „illegalem Skiurlaub“ in mehreren Bereichen des Alpenraums. In Österreich gibt es solche Fälle in St. Anton am Arlberg, wo nicht zugelassenen Gästen, Hotelzimmer vermietet wurden. Angemeldet wurden sie in den Häusern wohl als arbeitsuchende Geschäftsreisende. Aus dem Zillertal werden vermehrt illegale Tagesgäste gemeldet und auch im bayerischen Landkreis Wolfratshausen/Bad Tölz gibt es wohl verstärkt nicht zugelassene Tagesgäste. Das berichtete der zuständige Landrat. In allen Bereichen kommen offensichtlich Besitzer von Zweitwohnsitzen hinzu, die sich nach den Reiseverordnungen dort eigentlich nicht aufhalten dürfen.
Ryanair verlängert Umbuchungsregeln
Die Regeln gelten jetzt für Neubuchungen bis zum 31. März. Der Low-Cost-Carrier verzichtet bei diesen Buchungen auf eine Gebühr für eventuell notwendige Umbuchungen. Dabei sind zwei Flugänderungen für Reisen bis zum 31. Oktober möglich.
Bahn und höhere Gewalt
Ein EU-Gesetz zum Schutz der europäischen Bahnen steht kurz vor dem Abschluss. Eine Entschädigungspflicht bei „höherer Gewalt“ ist dann künftig nicht mehr vorgesehen. Dies gilt für extreme Wetterbedingungen und Naturkatastrophen, aber auch bei Gesundheitskrisen und Pandemien”.
Streiks von Bahnangestellten fallen nicht unter den Tatbestand der „höheren Gewalt“. Auch der Anspruch auf Erstattung von Teilen des Ticketpreises bei Verspätungen von einer Stunde und mehr bleibt erhalten.
Diesen Regeln haben die Mitgliedsländer zugestimmt. Sie müssen jetzt noch vom EU-Parlament bestätigt werden und können dann, zwei Jahre später, in ganz Europa in Kraft treten. Vor 2023 ändert sich also erst einmal nichts.
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