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Hier ist der Teil 2 meines Roadtrips durch die US-Südstaaten Louisiana, Mississippi, Tennessee und Alabama. Aufgebrochen bin ich um den Geheimnissen der Musik auf die Spur zu kommen. Teil 1 war der feucht-heißen Ankunft in New Orleans gewidmet. NOLA, die Wiege des Jazz. Die Geschichte dieses Musikstils verändert sich, je länger sich fachkundige Menschen damit auseinandersetzen. Die Story über die Anfänge des New Orleans Jazz ist heute beileibe nicht mehr so klar, wie sie noch in Büchern des deutschen Jazzpapstes Joachim Ernst Behrendt vor 40 Jahren stand. Er ist nicht der Einzige, der sich heute Korrekturen gefallen lassen müsste. Und selbst aktuell streiten sich schon wieder Geister darüber. Ich bin der Sache nachgegangen und hatte Hilfe von Jazzhistoriker John McCusker.
Wo war der Anfang, wie und warum?
Er macht die “Cradle of Jazz-Tour”, die übrigens jeder New Orleans Besucher buchen kann. Er ist immer mit Kleingruppen unterwegs und man kann die Geschichte des New Orleans-Jazz in ganzer Breite inhalieren. Von Haus aus ist John Pressefotograf und hat dreißig Jahre für Zeitungen in New Orleans gearbeitet. Inzwischen schreibt er auch Bücher zur Geschichte des NOLa-Jazz, repariert alte Phonographen und versucht, gemeinsam mit Anderen, alte Gebäude zu retten, die eine historische Bedeutung für den Jazz und damit auch für New Orleans haben. Es ist ein Riesenspaß mit ihm auf den Spuren der Jazzgeschichte unterwegs zu sein. Damit wurde er auch zur Hauptfigur des vorliegenden Podcasts.
Die koloniale Kultur und andere Wurzeln
Er ist die teilweise nur schwer nachvollziehbare Jazz-History journalistisch angegangen und stellte sehr schnell fest, dass die Missverständnisse und Missinterpretationen groß waren und sind. Er forschte und stellte schnell fest, dass die Wurzeln weit zurückliegen. Alles habe mit den Kolonien angefangen.
Wurzel 1: Die Frühgeschichte der Stadt
Die Stadt wurde nicht von den Engländer gegründet, sondern von den Franzosen und John sagt zur Vorgeschichte:
Wir waren also völlig anders, als der Rest der Vereinigten Staaten. Wir waren keine weißen, angelsächsische Protestanten. Wir waren katholisch. Mit den Franzosen kam die Lebenslust, die Lust an Musik und Tanz. Und New Orleans war deshalb eine Stadt der Musik. 1796 die erste Oper in Amerika. Heißt: Westliche Musik war fest verankert bevor das 18. Jahrhundert begann. Westliche Musik das hieß: Formale Ordnung und Instrumentierung, niedergeschrieben, versehen mit einer Lehrmethode. Auf der anderen Seite gab es die Musik der afrikanischen Menschen, die hierher geschickt wurden. Zur Zeit der Spanier und Franzosen hatten die Sklaven am Sonntag frei. Das nutzten sie um ihr angebautes Gemüse zu verkaufen. Dabei trommelten sie, sangen, tanzten wie zuhause in Westafrika. Als dann die Amerikaner hierher kamen, sind die regelrecht ausgerastet. Da sie es aber nicht verhindern konnten, gab es ein Verbot in der Stadt zu singen, außer am Sonntag an genau dieser Stelle, am Congo Square. Das entwickelte sich zur Sensation. Statt 10 Leute auf dem Deich tanzen zu sehen, kamen die Menschen hierher und schauten zu, wie Hunderte tanzten und Musik machten. Das brachte sogar die ersten Besucher in die Stadt, die das erleben wollten.
Wurzel 2: Das Gelbfieber:
John Mc Cusker fand in den Recherchen zur Jazzgeschichte eine Tradition, die begann, als es der Stadt und ihren Menschen sehr schlecht ging. 1853 litt man unter einer Gelbfieberepidemie.
Wir hatten die höchste Sterblichkeitsrate aller amerikanischen Städte. Während der Gelbfieber-Epidemie starben über 10 Tausend Menschen. Das waren 30 Beerdigungen pro Tag. In dieser Zeit kam die Tradition der Blaskapellen auf. Jede Beerdigung wurde von einer Brassband eskortiert. Diese spielten einen traurigen Sound auf dem Weg zum Grab und fröhlichere Musik auf dem Rückweg. Heute nennt man das in New Orleans eine Jazzbeerdigung. Die Tradition entstand aber 50 Jahre bevor die ersten Jazzsongs aufkamen.“
Wurzel 3: Der Ragtime
Der dritte Vorläufer, ist einfach zu datieren, da diese Musik bereits auf Klavierwalzen oder Edison-Zylindern aufgezeichnet wurde. Diese Tradition kam aus dem nördlicheren St. Louis in Missouri.
Ragtime ist eine sehr wichtige “PRE”-Jazz-Musik. Der Ragtime institutionalisierte die Synkopen in der Musik. Dabei verschiebst Du die Betonungen auf dem zweiten Schlag. – Ragtime ist eigentlich das Zusammenführen von vier kleinen Melodien in eine Komposition. Denk mal an den Entertainer von Scott Joplin, da gibt es diese 4 Melodien, die quasi zu einer Suite zusammengefügt wurden. – Ja und gehen wir mal zurück. 1900 und hat ein Ragtimespieler ein tolles Stück, aber die zweite Melodie reißt ihn nicht vom Hocker. Dann hört er einem anderen Musiker zu und dessen vierte Melodie findet er Klasse. Da stiehlt er dessen 4. Melodie und benutzt sie als seine zweite. Das nannte man damals Rag-Picking. Und so wurden unter verschiedenen Titeln letztlich immer wieder die gleichen Melodien gespielt. Und selbst die erste Jazzplatte der ONE STEP ist eine Art Ragtime, 3 Jahre vorher mit einem Ragtime-Banjospieler auf Edison-Zylinder aufgenommen. Der Unterschied ist lediglich der Musikstil.
Die Jazz-Personalitys
Da gibt es bekannte und unbekannte Menschen. Alle aber waren in der frühen Geschichte wichtig und alle hatten eine schwarze Hautfarbe. Wir reden über schwarze Musik und die amerikanische Pop-Musik von heute wäre ein Nichts ohne diese Einflüsse.
Wer die Tour mit John macht, kommt den frühen Stars des Jazz sehr nah. Sei es über das Geburtshaus, die Rotlicht-Viertel der frühen Jahre oder auch nur ein simples leerstehendes Haus, das in der Kindheit eines Louis Armstron eine wichtige Rolle gespielt hat. – Es waren auch reichlich “schräge” Typen dabei, als der Jazz quasi noch in der Wiege lag.
Erfahrt alles über die Jazzpionieren von Buddy Bolden über Kid Ory, King Oliver und Jerry Roll Morton bis zu der Persönlichkeit des New Orleans-Jazz schlechthin: Louis Armstrong. Alle hatten ihre Zeit, ihr musikalisches Gewicht und ihr menschliches Schicksal. Lernt die Stars der frühen Jazz-Zeit im Podcast genauer kennen.
Die Support-Acts oder “Nebenrollen sind wichtig”
Was nutzt alle Sachkenntnis, wenn sie in der Stadt, inklusive der Partyzonen, untergeht? John McCusker kümmert sich mit einem Verein um die wertvolle Geschichte. Man muss sie schützen, meint er und sagt:
Vielleicht überraschend, aber vor 20 Jahren gab es kein einziges Haus, das als Denkmal der Jazzgeschichte gekennzeichnet war. Wir wollen die Tourismusindustrie zwingen darüber nachzudenken, warum die Leute hierher kommen. Das nicht jeder hierherkommt um sich auf der Bourbon Street zu besaufen, sondern dass Besucher von weit her kommen um das zu sehen, was ich Euch heute zeige. Immerhin haben wir seitdem rund 60 Gebäude kennzeichnen und einige vor dem Abriss retten können.
Das Interesse am Jazz ist groß, mitunter wird das beim Feiern übersehen. Gut, dass es auch noch einen lautstarken Botschafter gibt, der mit seinen Radiowellen und einem Internet-Livestream die Jazzfans an die Stadt bindet und musikinteressierte Touristen anzieht. Diese Rolle übernimmt seit Jahrzehnten “WWOZ”, das Jazzradio der Stadt.
Stationsmanagerin Beth Utterback ist erst seit ein paar Jahren Chefin von “WWOZ”. Sie betont:
Ich hätte es nie für möglich gehalten hätte, wie viele Menschen tatsächlich nur wegen des Jazz nach New Orleans kommen. Unsere Radiostation ist zum Jazz-Botschafter der Stadt geworden. Ansonsten kämen nicht die vielen Menschen aus aller Welt hierher und wollten das Studio besuchen und ihre Lieblingsmoderatoren kennenlernen.
Den Sound in die Welt tragen ist das Eine. Ihn zu dokumentieren und die Geschichte am Ort des Geschehens zugänglich zu machen, ist ein weiterer Schritt. Dafür hat man das New Orleans Jazzmuseum gegründet. Es gehört zu den Staatsmuseen von Louisiana. Das Museum hat seinen Ursprung im “New Orleans Jazzclub”, einem Verein von Jazzfreunden, aus den 1940er Jahren. Sie haben ihre komplette Sammlung dem Museum bei seiner Gründung in den Siebzigern zur Verfügung gestellt. All das findet sich heute im Besitz des Museums, das man in der Esplanade Avenue am Rande des French Quarter findet.
Es gibt also reichlich Möglichkeiten, die Geschichte des New Orleans-Jazz zu erkunden.
Musik ist Musik und Musiker spielen sie, ohne nach Schubladen zu suchen. So viel hab ich schon verstanden: Letztlich hängen Jazz, Gospel, Blues und Rock’n-Roll eng zusammen. Das wird Thema im nächsten Podcast sein. Es ist die Geschichte von wachsenden Musikrichtungen, die sich letztlich immer auf Jazz, Blues und Gospel stützen. Und es ist SCHWARZE Musik und SCHWARZE Kultur, ohne die die Vereinigten Staaten sehr viel ärmer wären. Wir verlassen die Wiege des Jazz und treffen auf die Entwicklung und Entstehung der vielen Musikstile, die auch aus dem Jazz folgten. Die Reise nimmt Fahrt auf.
Information:
Jazztour mit John McCusker: www.cradleofjazztour.com
Jazzradio: www.wwoz.org
New Orleans Jazzmuseum: www.nolajazzmuseum.org
Allgemeine und wichtige Infos: www.neworleans.com
Hinweis:
Diese Reise und Recherche wurde unterstützt von Condor, Alamo Rent-a-Car, sowie den Tourismusorganisationen von New Orleans, Mississippi, Tennessee und Alabama. Vor Ort unterstützten mich lokale Tourismusbüros, sowie einige Hotels. Dafür vielen Dank! – Dies hat keinen Einfluss auf eine unabhängige Berichterstattung.
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