Podcast: Play in new window | Download ()
Kostenlos abonnieren: Spotify | Amazon Music | RSS
Birthplace of the Nation & City of Brotherly Love
Die USA bieten hippe Städte, große Städte, musikalische Städte, historische Städte, coole Städte. Attribute, die – meist etwas kleiner – alle auf Philadelphia ebenfalls zutreffen. Darüber hinaus hat “Philly” zwei Alleinstellungsmerkmale im Angebot, bei denen die anderen nicht oder nur bedingt mithalten können: Birthplace of the Nation und City of Brotherly Love. Wir reden über Heimatliebe und Nächstenliebe und die Erfahrung, dass das Ganze unterm Strich sehr cool und trotzdem anheimelnd daherkommt: Philadelphia, Pennsylvania, USA
Rund 48 Stunden oder 2 Tage hatte ich Zeit für die Stadt auf der direkten Grenzlinie der US- Bundesstaaten Pennsylvania, Delaware und New Jersey. Leider kommt man schon nach wenigen Stunden zum Schluss, dass diese Zeit nicht reicht, denn Philadelphia hat so viel zu bieten.
Tag 1 – Ankommen und Umsehen
Nehmen wir an, Ihr kommt direkt aus Deutschland, dann werdet Ihr die Stadt am Nachmittag erreichen. Nonstop-Flugverbindungen gibt es von Frankfurt aus mit Lufthansa und American Airlines. Umsteigeverbindungen liefert die Anreise über Washington und New York zum Beispiel mit Delta Airlines oder United Airlines. Von dort aus kann man wahlweise weiterfliegen oder mit der Bahn (Amtrak) anreisen. Insbesondere vom International Airport Newark ist Letzteres besonders bequem, da der Flughafen einen direkten Bahnanschluss besitzt. – Angekommen, im Hotel eingecheckt und dann? – Wie wäre es mit einem Blick auf die Stadt? Gerade für tolle Fotos drängt sich der Besuch des “One Liberty Observation Decks” auf. (1650 Market Street – www.phillyfromthetop.com) Es ist der höchste Punkt der Stadt mit einer 360 Grad Rundumsicht. Am besten fährt man kurz vor Sonnenuntergang nach oben, denn dann lassen sich die schönsten Fotos von oben machen.
Danach will man vermutlich nur noch einen drink und eine Kleinigkeit zu essen. Mein besonderer Tipp, zumindest für die wärmere Jahreszeit, sind die sogenannten Pop-Up Beer Gardens. Also vorübergehend aufgebaute Open-Air Kneipen, wo man sich nicht nur gemütlich hinsetzen kann, sondern auch ganz schnell ins Gespräch mit Einheimischen kommt. Die Pop-ups sind Privatinitiative, meist sogar nur für einen kurzen Zeitraum und es kann sein, dass der Biergarten ein paar Tage später an eine andere Stelle gezogen ist. – Wer es gerne gediegen und trotzdem originell hätte, der sollte am Abend (geht auch tagsüber) in der City Tavern einkehren. (138 South, 2nd Street – www.citytavern.com) Wenn der Chef des Hauses da ist, kann man von ihm ein paar Lektionen Geschichte in deutscher Sprache bekommen. Walter Staib ist Küchenchef, Ideengeber, Pächter der City Tavern und kommt eigentlich aus Pforzheim. Er sei durch Zufall hier hängen geblieben, sagte mir Staib im Interview. Eigentlich wollte er nur ein Jahr in einem französischen Restaurant in Chicago arbeiten, Dann kam ihm die Liebe dazwischen. Der Rest sei Geschichte sagt Staib, der inzwischen in der Citytavern lange heimisch geworden ist. Die Citytavern hat, seit Staib Küchenchef ist, ein besonderes Konzept. Man kocht nach Originalrezepten des 18. Jahrhunderts. Berühmt wurde die Taverne auch als Kneipe der sogenannten Revolutionäre der Unabhängigkeitsbewegung. So macher Schachzug mag dort beim Bier entstanden sein. – Die Karte bietet Wiener Schnitzel mit Spargel, Sauce Bernaise und Kartoffelbrei aber auch Münchner Weißwurst auf Sauerkraut oder geräucherte Forelle. Der Grund dafür liegt in der einst zahlreichen Besiedlung der Region durch Deutsche. Der Umgang mit diesen Gerichten brachte Walter Staib übrigens auch den Job des Fernsehkochs ein. Da schlag ich zwei Fliegen mit einer Klappe, sagt er: Essen und Geschichte. “A Taste of History” geht schon ins zehnte Jahr beim öffentlichen Fernsehnetwork PBS. Staib kocht historische Gerichte in einer Küche aus dem 18. Jahrhundert und redet dabei mit Geschichtsexperten über die Zeit. Mitunter dreht das Team auch im Ausland. Die amerikanische Geschichte steht aber immer im Mittelpunkt. Staib meint, als Ausländer könne er sich offener äußern, offensichtlich mit großem Erfolg.
Tag 2 – Geschichte, Kunst und Entspannung
Wenn der Abend schon ein wenig Einblick in Historisches gegeben hat, so kann man das am nächsten Tag mit diversen kompletten Geschichtsstunden fortsetzen. Das Deutschtum wird einem übrigens an vielen Stellen begegnen. Zum Beispiel beim Frühstück. “Dutch Eating Place” heißt das Zauberwort. Eine sogenannte Eatery im großen Reading Terminal Market, einer Indoor-Markthalle. (12th & Arch Streets, www.readingterminalmarket.org) Dutch steht hier nicht für Holländisch, sondern in der Tat für Deutsch. Kein Wunder, denn Pennsylvania Dutch Country, ist nur knapp zwei Fahrstunden entfernt. Die Küchentraditionen der „Deutschen“ schlagen sich hier nieder und das Servicepersonal läuft mit Amish-ähnlicher Kleidung herum. Viele Einheimische sitzen hier morgens, bei Kaffee, Eiern und süßen Spezialitäten aus Pennsylvania Dutch Country. Der Markt ist ohnehin eine, nein mehrere Versuchungen wert. Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse zum Einkaufen. Unzählige kulinarische Verführungen zum meist mehr als satt essen. Und dann sieht man sogar frisch gebackene Black and White Cookies. Die sehen aus wie das, was wir Amerikaner nennen. Der Kauf bestätigt. Die Riesencookies schmecken auch genau so. Herrlich der Zuckerguss und die Schokoglasur. Reading Terminal Market: Optisch klasse und was die Preise betrifft sehr günstig. Ein Frühstück für Zwei schlägt maximal mit 15 Dollar zu Buche.
Magical History Tour
Heute ist Geschichte angesagt. Ja, man weiß eventuell noch, dass es in Philadelphia mit der Gründung der USA losging. Wie das aber ablief? Auch ich hatte keine detaillierte Ahnung, aber das kann man ändern. Es ein brandneues Museum, das so viel mehr vermittelt und die anschließende Einordnung einer City-Tour erleichtert. Unbedingt ansehen: Das “Museum of the American Revolution”. (101 South Third Street – www.amrevmuseum.org) Das ist kein trockenes Museum, sondern eine ziemlich neue, interaktive Show, die Geschichte plastisch macht. Es erzählt vom Beginn der Revolution, der Entwicklung, die in einen jahrelangen bewaffneten Konflikt mit den britischen Kolonialherren führte und in der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten mündete. Spannend für deutsche Besucher ist die erschreckende Tatsache, dass viele Deutschstämmige an diesem Unabhängigkeitskrieg beteiligt waren. Deutsche kämpften für die Revolution und unfreiwillig für den britischen König: Söldner aus Braunschweig, Hessen-Cassel und Hessen-Hanau zum Beispiel. In Philadelphia selber sprach um diese Zeit fast die Hälfte aller Einwohner deutsch. Viele Papiere sind damals in Englisch und Deutsch verfasst worden. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung ist kurioserweise zuerst in deutscher Sprache veröffentlicht worden. Beim zweiten Kongress forderte der Versammlungspräsident und deutsche Einwanderer Friedrich Millenberg, dass man sich doch bitte auf eine Sprache einigen möge. Die Delegierten entschieden sich knapp für das Englische.
Nach so viel Theorie möchte man jetzt natürlich wissen, wie und wo sich die ganze Unabhängigkeitsgeschichte in Philadelphia abgespielt hat. Wer eine historische Citytour macht, ist hier klar im Vorteil. Der Rundgang ist, rein streckentechnisch, nicht besonders anstrengend. Philadelphia war um 1774/75 noch ziemlich klein. So läuft man meist nur ein paar hundert Meter bis zur nächsten Station. All diese historischen Gebäude stehen in einer kleinen “grünen Lunge” der Stadt. Es ist gewissermaßen der Parkspaziergang durch die Geschichte. Er führt u.a. zur “Carpenters Hall” zu den Ursprungsgebäuden der ersten und zweiten “Federal Bank” und natürlich zur “Independence Hall”, dem Statehouse von Pennsylvania. Im Podcast könnt Ihr die Tour akustisch nachvollziehen. Highlight jedes Rundgangs ist natürlich das Symbol von Freiheit und Unabhängigkeit: Die “Liberty Bell”. Auch die Geschichte der Freiheitsglocke wird während einer Citytour ausführlich vorgestellt.
Heute findet man die Glocke in einem extra dafür erstellten Gebäude, direkt gegenüber der Independence Hall. Wer sie sehen will, sollte das an einem Werktag tun. Da ist die Besucherschlange nicht ganz so lang. Als ich am Samstagmorgen noch einmal hin wollte, wegen besserer Fotos, hätte ich fast ne Stunde anstehen müssen. – Auf der gegenüberliegenden Seite der Market Street ist zudem das “Philadelphia Visitors Center”. Dort gibt es weitere Ausstellungen und dort lassen sich auch die Touren buchen. (www.discoverphl.com)
Wer den Vormittag mit Geschichte verbracht hat, hat für die Mittagszeit die große Auswahl. Im Restaurant essen? Mein Tipp: Schaut Euch am “Rittenhouse Square” um. Wenn es was Schnelles sein soll, kommt einer der “Pop-Up-Beergarden” infrage. Das geht wahlweise irgendwo in der Innenstadt (einfach umsehen!) oder am Ufer des Delaware River. Besonders hübsch ist es am “Spruce Street Harbour”. Hier kann man Biergarten mit Parklandschaft und Flussblick kombinieren und man sitzt im Grünen.
Zweimal Kunst: “Barnes-Foundation” & “Mural Arts”
Am Nachmittag ist Kunst angesagt. Große Kunst, was die Wertigkeit betrifft und ganz große Kunst. Zunächst steht die “Barnes Foundation” (2025 Benjamin Franklin Parkway – www.barnesfoundation.org) auf dem Programm. Sie besitzt mit die feinste Sammlung an Impressionisten, Postimpressionisten und Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Alles gesammelt von einem Mann: Dr. Albert Barnes, geboren 1872 in Philadelphia. Der studierte Mediziner machte sein Geld mit Arzneimitteln, nachdem er unter anderem Pharmazie in Deutschland studiert hatte. Seine Liebe galt aber der Kunst. Schon 1912 begann er Kunst zu sammeln. Ein Künstler und ehemaliger Schulkamerad kaufte in diesem Jahr in Paris den Grundstock seiner Sammlung. Damals war das noch sehr erschwinglich. Für 20.000 Dollar erhielt Barnes 33 Werke von Renoir, Cezanne, van Gogh, Picasso, Pizarro und Toulouse-Lautrec. Irgendwann wurde man auf seine Sammlung auch in Philadelphia aufmerksam. In der Akademie der schönen Künste wollte er Philadelphia und der Welt zeigen, was er gesammelt hatte und wie stolz er darauf war. Das Echo war niederschmetternd. Eine Zeitung schrieb: “Ein 6 Millionen Dollar Schrein für die bekloppteste Kunst der Welt”. Barnes war nicht sehr glücklich. Seine Reaktion: Ihr versteht‘s nicht, ihr akzeptiert es nicht. Ihr kriegt es nicht mehr zu sehen. Und damit sperrte er die Experten, die reiche feine Gesellschaft aus. Sein Herz galt den einfachen Leuten, wenn sie sich für Kunst interessierten. Deshalb gründete er auch eine Stiftung, die seine Arbeit bis heute fortführt. Seine Sammlung wurde immer größer. Erst vor einigen Jahren zogen die Schätze von seinem Privathaus in großzügige Räume an der Kunstmeile von Philadelphia um. Die neuen Räume wurden aber genau nach den Grundrissen des ursprünglichen Hauses gestaltet und nach exakten Regeln, die Barnes einst aufgestellt hatte. Absolut sehenswert und beeindruckend. Wenn Ihr keine große Ahnung von Kunst habt ist das kein Problem. Barnes hätte Euch geliebt.
Die “Große Kunst Nummer 2” ist nicht im Kunstviertel zu sehen, sondern über die ganze Stadt verteilt. Es geht um Wandgemälde, sogenannte “Mural Arts”. Philadelphia hat inzwischen so viele davon, dass es sich problemlos Welthauptstadt der Wandgemälde nennen darf. Die 4.000 Wandmalereien, auf die man heute stolz ist, entstanden aus einem völlig profanen Grund. Es gab in den 1980er Jahren zu viele Graffitis in der Stadt. Sprühfarbe war neu und alle Kids sprühten munter drauf los. Der Bürgermeister sagte: “Wir müssen was tun”, stellte fünf Millionen Dollar zur Verfügung und empfahl seinen Neffen, Tim Spencer, als ersten Direktor der Mural Arts Stiftung. (www.muralarts.org) Er trat an und versuchte als Erstes sein Stadtviertel einzubeziehen. Da gab es sehr viel Kriminalität Gewalt und Drogenprobleme, neben den vielen Graffitis. Er blieb bis zu seinem Tod 1996 dabei. Seine Nachfolgerin, Jane Golden, kam aus Kalifornien. Dort hatte sie in einem vergleichbaren Projekt in Los Angeles gearbeitet. Ihre Philosophie: “Ich gehe in die Stadtviertel, auch wenn das gefährlich ist. Ich rede mit den Leuten und verpflichte sie per Vertrag. Wenn sie das sprayen lassen, dann zeigen wir ihnen wie man mit der Spraydose richtige Kunst machen kann”. So wurde aus der Grafittiabwehr nicht nur ein Kunst- sondern auch eine großes Sozialprojekt. Praktische Sozialarbeit, Unterstützung bei der Ausbildung für Jugendliche und Kunstarbeit in Gefängnissen stehen heute im Vordergrund der Arbeit. Alle Werke werden, nach wie vor, in enger Zusammenarbeit mit den Bürgern, der entsprechenden Stadtviertel geplant und realisiert. Die Ergebnisse sind beeindruckend. Wer einen Eindruck von den vielen “Riesenbildern” haben möchte, bucht am besten eine Tour auf der Homepage der Stiftung.
Optisches: So toll sind die “Mural Arts”
Tag 3 – African American Museum und Spaß beim Sport
Der Vormittag führt uns noch mal ins Museum. Gestern haben wir viel gehört über die Unabhängigkeit und die Geschichte. Auch Mitte des 18. Jahrhunderts lebten schon Menschen mit schwarzer Hautfarbe in Amerika. Und den ging es bei allen Bestrebungen um Freiheit leider nicht gut. Damit beschäftigt sich das “African American Museum” von Philadelphia. (701 Arch Street – www.aampmuseum.org)
African American Museum
Auch hier merkt man: Philly ist eine coole Stadt und die “City of Brotherly Love”. Dieses Museum war das Erste in den USA, das sich mit Afro-Amerikanischem Leben beschäftigt hat. Man steht hier nicht in einem trockenen Museum. Geschichte wird interaktiv dargestellt. Eine audiovisuelle Videowand erzählt interaktiv die Geschichte der Afro-Amerikaner im Philadelphia des 18. Jahrhunderts. Im Obergeschoss gibt es beispielsweise eine Videogalerie, die einen oder mehrere Menschen aus der Zeit um 1780 präsentiert, sehr spannend und emotional. Das Museum ist aber auch kulturelles Zentrum für Afro-Amerikanische Kunst mit Ausstellungen und Workshops. Wer den freiheitlichen Grundgedanken an der Praxis überprüfen möchte ist hier an einer Topstelle.
Sports? – Sports!
Es ist Wochenende und Wochenende bedeutet Sport. Julie Coker Graham, Chefin von Philadelphia Tourism, kommt gleich mit einer ganzen Palette an Angeboten rüber. Baseball nennt sie an erster Stelle. Meinen Einwand, ich hätte keine Ahnung davon, außer dass ich gelernt hätte, man müsse im Stadion viel Bier trinken, lässt sie nicht gelten und stellt das sportliche Philly vor: “Bier und Baseball gehören zusammen. Das ist unser Outdoor-Sport. Aber wir sind glücklich alle Hauptsportarten in Philadelphia zu haben. Die “Seventy-Sixers” im Basketball, die “Philadelphia Eagles” spielen American Football. Die “Phillies” spielen Baseball. Eishockey gibt es natürlich auch und die “Philadelphia Union” spielen Soccer, also das, was Ihr in Europa Fußball nennt. Die Arenas sind alle an einer Stelle. Und dieser Sportkomplex ist nicht weit von der Innenstadt.” – Wer also noch ein paar Stündchen übrig hat. Sport gucken macht Spaß. Insbesondere Baseball ist mehr eine große Party als sportliches Ehrgeizprojekt. – Wer nach Philly kommt, dem sei das als heißer Tipp empfohlen.
Die 48 Stunden Philadelphia sind rum. Über “Rocky” und Sylvester Stallone hätten wir noch reden müssen und über die “Rocky Steps”, die zum “Museum of Art” hinaufführen. Über das Bier der Region mit Namen “Yuengling”. Dessen Brauereigründer kamen aus Deutschland. Den Innenhof der prachtvollen “Cityhall” sollte man zumindest mal durchquert haben. Für noch mehr Kunst und Kultur war keine Zeit mehr. Das “Kimmel Center” ist Heimat des “Philadelphia Symphony Orchestra”, das im nächsten Jahr durch Deutschland touren wird. Es gäbe noch so viel zu sehen und zu erleben. Aber man kann ja wieder kommen!
Information:
Hinweis:
Die Recherche zu diesem Reiseradiobeitrag wurde unterstützt von Philadelphia Convention and Visitors Bureau. – Thanks to Ann Tok for her help!!!
Diese Unterstützung hat keinen Einfluss auf eine unabhängige Berichterstattung zum Thema!
Hinterlasse jetzt einen Kommentar