Fragwürdig: Impftourismus der Reicheren blüht
Mit einer Impfung gegen das Corona Virus hoffen die Menschen auf eine Öffnung des öffentlichen Lebens und damit auf eine Rückkehr zur Normalität. Die Realität sieht, gerade auch hierzulande, anders aus. Es geht nicht voran und wem die, im Netz zu findenden, Online-Impf-Rechner eine Impfung im Juni 1922 prognostizieren, der kann anfällig werden für Tricksereien und schräge Angebote.
Kriminell
In einigen Ländern gibt es inzwischen halblegale und illegale Schlupflöcher, um sich an der wartenden Bevölkerung vorbei die Impfdosis abzuholen, deren Verabreichung auch bei uns mindestens Monatedauern dürfte. Ein regelrechter Impf-Tourismus setzte in Florida ein, mit dem Ergebnis, dass zahlungskräftige Menschen aus In- wie Ausland anreisten um sich gegen reichlich Geld an der Impf-Warteschlange illegal vorbei zu mogeln. Das Geschäft mit Angst und Gesundheit floriert hinter den Kulissen und bringt, wie zum Beispiel das Magazin Focus berichtet, zwischen zwanzig- und fünfundsechzigtausend Euro pro Impfreise ein.
Unseriös
Fast noch schlimmer ist die Tatsache, dass sich auch in Europa Veranstalter nicht scheuen, mit Angeboten auf den Markt zu gehen, die Gesetzeslücken finden und vermarkten. Am letzten Wochenende machte der österreichische Verleger Christian Mucha Schlagzeilen mit den Impfurlauben, die er über eine Website anbietet: Kurze Flugreisen übers Wochenende mit Impfung an Bord des Flugzeugs. Dabei will er die Lücke nutzen, die das Verabreichen von Impfungen an Bord nicht verbietet. Die angebotenen Impfreisen lagen in der Preisspanne zwischen 3.000 und 8.000 Euro pro Person. Unklar ist, aus welchen Kontingent das Vakzin stammt.
Voreilig
Auch seriöse deutsche Veranstalter sind schon der Verlockung erlegen und dachten, wie Fit-Reisen, auf ihrer Website über Impfreisen nach. Ergebnis: Mehrere Tausend Anfragen innerhalb eines Tages. Man ruderte dann allerdings sehr schnell zurück mit der Erklärung, dass man dieses Angebot erst dann machen könne, „wenn sie behördlich gewünscht und genehmigt“ seien. Sind sie nicht und auch potentielle Zielländer, wie Israel, haben abgewunken.
Unser Kommentar:
Die Angebote zeugen vom Bedürfnis nach Schutz vor dem Virus, nach Sehnsucht auf Normalität. Die politisch Verantwortlichen sind gut beraten, diesen Trend nicht zu übersehen und im Tempo zuzulegen. Durch Angebote der Kategorie „Halblegal-illegal-scheißegal“ spaltet man die ohnehin schon auseinandertriftende Gesellschaft.
ARD „Hart aber fair“: Impf- und Urlaubsdiskussion
Frank Plasberg hatte geladen zu einer Diskussion um die Realisierung unseres Sommerurlaubs, angesichts der langsamen Impffortschritte und der Probleme mit einem „Urlaub für Alle“ im Sommer 2021. Die ausgetauschten Argumente waren nicht neu.
„Urlaub nicht totquatschen“
Die Reisebranche, vertreten durch DRV-Präsident Norbert Fiebig, wurde schnell angesichts der aktuellen Diskussion um Impfreisen, Impfpflicht in Hotels bei alltours ab Herbst, in die Ecke der unnachgiebig Fordernden gedrängt. Politiker, Virologin, freie Journalistin, und der deutsche „Wanderpapst“ Manuel Andrack diskutierten in eine andere Richtung als der Branchenvertreter. Dabei drängte sich der Eindruck auf, dass Reisen aktuell nicht gesellschaftsfähig ist. Mit seiner Forderung nach Impfbeschleunigung auf der einen Seite und einem einheitlichen, realistischen Hygienekonzept durch Ausdehnung der Testkapazitäten, konnte sich Fiebig leider nicht durchsetzen.
„Nix gewesen außer Spesen?“
Die Runde schwankte zwischen der Forderung nach weiterer Rücksichtnahme der Jüngeren (die länger auf Impfungen warten müssen) und der Ignoranz der gesellschaftlichen Realität, die nach Öffnung lechzt und, wenigstens im Sommerurlaub, raus will. Wenigstens Manuel Andrack setzte sich für die baldige Öffnung von Ferienhäusern und -wohnungen ein, die oft eine bessere „gesundheitliche Blase“ für Reisende böten, als das Alltagsleben.
Unterm Strich zeigte die Sendung das Dilemma zwischen Gesundheitsvorsorge, eventuell drohender dritter Infektionswelle, zu langsamen Impffortschritten und ignorierter Bemühung der Reise- und Freizeitbranche um Anerkennung ihrer (hoffentlich) tragfähigen Hygienekonzepte.
Spanien hofft
Nach Aufhebung der Kategorie „Hochinzidenzgebiet“, hofft Spanien jetzt auf weitere Normalisierung, von der das Land an vielen Stellen noch weit entfernt ist. Wenigstens die Inzidenzzahlen sinken derzeit. Auf die Kanarischen Inseln liegt sie derzeit unter 50 (Vergleich Deutschland: 61), für das gesamte Spanien bei knapp unter 100.
In einigen Städten und Regionen wurden strenge Einschränkungen bereits reduziert. Dies gilt, trotz fortschreitender Impferfolge aber noch nicht für Katalonien und die Balearen. Trotzdem spricht sogar die Tourismusministerin von Aufwind und Hoffnung.
Island denkt über „Restart“ nach
Das Abschotten hat sich gelohnt. Mit knapp sieben Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den ersten beiden Februarwochen steht Island in der Statistik der EU-Gesundheitsbehörde ECDC an der Spitze.
Selbstredend mag es einfacher sein, Infektionszahlen in einem Land zu senken, das (mit Ausnahme der Hauptstadt Reykjavik) Abstand als normale Alltagsbedingung kennt. Die Gesundheitsvorsorge für 360 Tausend Einwohner ist auch einfacher in den Griff zu bekommen, möchte man unterstellen. Gleichwohl hatte sich die Insel im Nordatlantik ein ausgefeiltes Hygienekonzept verordnet, zu dem neben Nachverfolgung und Quarantäne auch ein ausgefeiltes Testkonzept gehörte. Viele Tests machten das möglich. Immerhin stehen 6.000 Infektionen die Zahl von 46.000 Menschen gegenüber, die sich vorübergehend in Quarantäne befanden. Das sind immerhin rund 13 Prozent der Gesamtbevölkerung. Teilöffnungen gab es bereits. Kneipen und Fitnessstudios sind wiedergeöffnet. Bei Kino-, Theater und Museen wurde die zugelassene Zahl von Besuchern angehoben.
Folgerichtig denkt Island jetzt auch über zu ändernde Einreisebedingungen nach. Ein ab Anfang Mai geplantes neues System sieht vor, Reisende aus Ländern mit geringerem Infektionsrisiko von der Quarantäne zu befreien. Geimpfte Personen könnten danach auch wieder ohne Einschränkungen einreisen. Gleichzeitig ist Island ein Land des Konsenses. So ist man sich, inklusive der wichtigen Wirtschaftsbranche Tourismus einig, dass es keine Öffnung des Landes um jeden Preis geben darf. Sicherheit habe die höchste Priorität.
Israel lockert dank Impfpass
3,2 Millionen Israelis dürfen, dank Impfpass wieder ins Theater und ohne Quarantäne reisen. Auch Hotelübernachtungen macht der „grüne Impfpass“ wieder möglich. Die Lockerungen gelten für geimpfte Personen und alle, die von einer Infektion genesen sind. Ein Abkommen mit Griechenland über uneingeschränkte Einreise mit Impfpass steht vor dem Abschluss. Die Maßnahmen sollen nicht nur das Leben erleichtern, sondern auch die angeschlagene Wirtschaft wiederankurbeln.
Mecklenburg-Vorpommern befragt die Freizeitbranche
Eine Umfrage des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern (TMV) unter rund 170 Freizeit- und Erlebnisanbietern, darunter Zoos, Erlebnisbäder, Natur-Informationszentren und Museen, zeigt die Relevanz von Urlaubern für deren Geschäftsgrundlage. Demnach waren in der Zeit vor der Corona-Pandemie rund 80 Prozent der Besucher Urlauber, nur 20 Prozent Einheimische.
Tobias Woitendorf, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern sagt zum Ergebnis:
Neben Hotels, Pensionen und Jugendherbergen sind alle anderen touristischen Bereiche in Mecklenburg-Vorpommern existentiell von der Krise betroffen. Auch für die Freizeit- und Erlebnisanbieter gilt, dass sie eine Öffnungsperspektive für Gäste aus anderen Regionen brauchen, um sich zu stabilisieren.
Wirtschaftliche Lage existenzbedrohend
Die Lage, in der sich die Freizeit- und Erlebnisanbieter infolge des zweiten Lockdowns befänden, sei vergleichbar mit jener der Beherbergungsbetriebe. 51 Prozent seien derzeit auf staatliche Hilfe angewiesen; bei den Beherbergungsbetrieben sind es rund 60 Prozent. Von den Unternehmen, die staatliche Hilfe benötigen, gaben acht Prozent an, ihr Geschäft nicht mehr länger am Markt halten zu können, sollten weitere staatliche Hilfen ausbleiben. 28 Prozent gaben an, ihr Unternehmen nur noch bis Ende März führen zu können; 34 Prozent schaffen es bis Ende September. Ende des Jahres wären laut Umfrage drei Viertel aller Freizeit- und Erlebniseinrichtungen nicht mehr am Markt. Mehr als jeder dritte Mitarbeiter (36 Prozent) befindet sich in Kurzarbeit.
DRV gedenkt Otto Schneider
Mit großer Trauer und tiefer Bestürzung reagiert der Deutsche Reiseverband (DRV) auf die Nachricht vom Tod Otto Schneiders, der am Samstag im Alter von 92 Jahren verstorben ist.
14 Jahre stand Schneider an der Spitze des DRV und hat den Verband geprägt. Der Deutsche Reiseverband betont in einer ausführlichen Würdigung ihres Ehrenpräsidenten:
Seine – im wahrsten Sinne des Wortes – fabelhaften Reden sind vielen Mitgliedern noch lange in guter Erinnerung geblieben. Unverändert fühlte sich Otto Schneider auch noch lange nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben dem Verband zugehörig. Äußerst aufmerksam verfolgte der Ehrenpräsident, in welcher Weise der DRV auf die vielfältigen Probleme der Branche reagierte.
Schneider zählt zu den Gründervätern des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) und hat sich mit seinem Buch „Die Ferienmacher“ als Chronist der Entwicklung der deutschen Reisebranche im vergangenen Jahrhundert bleibende Verdienste erworben.
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