D-RR News 01.12.21 – Ratlos im Dezember

Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Rüdiger Edelmann

Das Gefühl ist wieder da. Ohnmacht, was tun? Existenzgefährdung in der Reisebranche, erneut. Und es tauchen immer mehr Fragen auf, die nicht beantwortet werden können.

Das eigene Gefühl, gestützt durch Beobachtungen und Tatsachen, ist auch wieder da. Vollständig geimpft und trotzdem wieder verkriechen, weil ungeimpfte Ignoranten alles kaputtmachen? – Das klingt heftig, aber es geht einem durch den Kopf. Die offene Frage von Bundespräsident Steinmeier besteht zurecht: „Was muss eigentlich noch geschehen…?“ – Aber sie täuscht natürlich darüber hinweg, dass nicht nur Deutschland ein Problem hat. Hier drängt sich nur einfach der Verdacht auf, es wurde bei uns besonders mies gemanagt.

Erst die pandemische Notlage abblasen, dann die miese Impfquote beklagen. Nach der Kehrtwende aber feststellen, dass da eine Impfinfrastruktur zerstört wurde. Dann registrieren wir Schlangen vor mühselig wieder hergestellten Impfstationen und nehmen nach 2 Tagen schon zur Kenntnis, dass da jetzt Menschen Schlange stehen und nach vier Stunden Warten nach Hause geschickt werden, da das Serum leider nicht reicht.

Boostern, boostern tönt es durch die Lande. Als ich dann zwei Stunden nach Öffnung meines regionalen Terminportals versuche einen (ist ja angeblich eilig) Termin zu finden, lacht mich als erstes freies Datum der 11. Januar an. Genommen, aber das ist in sechs Wochen. Wollten wir nicht eine vierte Welle brechen, um eine fünfte zu verhindern? – Darüber aber redet die Politik, erst weniger, jetzt stark aufgeregt. Beschlüsse gibt es frühestens Morgen und vermutlich brauchen wir dann wieder zwei Wochen, um diese umzusetzen!?!

Da erklärt man einen halben Kontinent zum Virusvariantengebiet, handelt schnell bei den Äußerungen und benötigt dann (gesetzlich vorgeschrieben) fast zwei Tage, bis wirkliche Kontrollen bei ankommenden Fluggästen stattfinden. Kann dies alles sein? Schnell mit Mund und Äußerungen hilft nicht. Mich wundert nicht, dass Menschen zusehends übellaunig werden. Ich bin es inzwischen auch und dabei habe ich noch gar nicht begonnen, mich über Pflegenotstand, fehlendes Personal und vollmundig vor eineinhalb Jahren angekündigte bessere Bezahlung aufzuregen. Der Bundesverkehrsminister hat stattdessen, Weihnachtsplätzchen in die Klinik seines Wahlkreises geschickt. Das Personal hat sie retourniert. Recht so!

Fast flächendeckendes 2G kommt (zu spät). Impfpflicht ist möglich. Mal sehen, wie lange wir noch diskutieren und ob nach Einführung diese Pflicht ins Leere läuft, weil man feststellt, dass dafür die Infrastruktur schon „überhaupt nicht“ ausreicht. Was nutzt die Pflicht, wenn dann der Impftermin im März zur Verfügung steht? Und welches Hohngelächter von Impfgegnern wird erst kommen, wenn wir (hoffentlich nicht) feststellen, dass die Impfungen gegen die Omikron-Variante wenig nützen. Ganz ehrlich: Es ist zum Mäusemelken. Demokratische Entscheidungen brauchen Zeit, nur die haben wir nicht, weil wir vorher an wichtigen Stellen gepennt haben.  


Die Zahlen des Tages

442,9

(7 Tage Inzidenz pro 100.000 Einwohner)

67.186

(Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden)

446

(Todesfälle innerhalb der letzten 24 Stunden)

101.790

(Todesfälle in Deutschland seit Beginn der Pandemie)


Der nächste schwere Winter kommt…

…bestimmt. Die Zahlen der Tourismuswirtschaft hatten im Oktober noch Mut gemacht. Jetzt sieht die Situation schon wieder ganz anders aus.

Die Buchungen

Der Buchungsschwung ist schon abgeflacht. Statistiken von Travel Data & Analytics (TDA) weist für die ersten Novemberwochen eine Abschwächung der Nachfrage aus. Der Winter wird also schwierig für die Reisebranche. Prognosen weisen ein Minus von etwa 30 Prozent aus.

Der Kundschaft ist das Zögern nicht zu verdenken. Die Reiseformalitäten werden schwieriger. Insbesondere das Afrika-Geschäft ist eingebrochen, denn wer kann es sich leisten an den Urlaub noch 14 Tage Quarantäne anzuhängen. Dies bringt insbesondere kleine und mittlere Spezialveranstalter wieder in Existenznot.

Die Statistik

Schaut man auf die Gesamtstatistik des letzten Sommers, so hatten die Reisebuchungen im Vergleich zum Corona Sommer 2020 in diesem Jahr stark zugenommen. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 steht unterm Strich immer noch ein Minus von 54 Prozent.

TI Marketingfavorit Kapverden (D-RR Archivbild)

Die Multis

Seltsam mutet das Geplänkel von Großveranstaltern an. Wenn TUI in der letzten Woche noch versucht den Eindruck zu vermitteln, dass die Urlaubs- und Buchungswelt für den Sommer 2022 großartig laufe, zweifelt am Marketingkonzept. Dieses ist mit den vorliegenden Zahlen nicht zu vereinbaren. Aber die Branche war ja traditionell schon immer bei positiven „Strahlemannbotschaften“ besonders gut, warum also sollte sich daran etwas ändern.

Südafrika-Bann-Diskussion

Die Südafrika-Travelban-Entscheidung ist nicht nur eine gesundheitliche, wirtschaftliche Frage, sondern auch eine sicherheitstechnische und moralische.

UN-Generalsekretär Guterres weist auf die moralische Seite hin. Man könne die afrikanischen Staaten nicht für die niedrige Impfquote verantwortlich machen, die natürlich die Bildung von Mutationen beschleunige. Reisen und Wirtschaft stärken statt schwächen fordert er.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht den Reisebann ebenfalls kritisch und fordert stattdessen verschärfte Kontrollen und Hygienemaßnahmen.

Die Organisation Forward Keys fordert bessere Kontrollen und weist auf die wenigen Einflugflughäfen hin, die Passagiere aus dem südlichen Afrika benutzten. Hier müsse man kontrollieren und Maßnahmen ergreifen. Gemeint sind dabei Addis-Abeba (Äthiopien), Doha (Qatar), Dubai (VAE), sowie Amsterdam, Frankfurt, Paris und London in Europa.

Die Realität zeigt leider, dass genau hier eben nicht kontrolliert wurde. Wenn Reisende aus Südafrika über Doha in Frankfurt am Samstag noch völlig ohne Gesundheitscheck einreisen konnten, läuft da etwas gewaltig schief. Da nutzt es auch nichts mehr, wenn die Airlines erst nach drei Tagen Passagiere aus den Ländern des südliche Afrika nicht mehr transportierten.

Foto: Fraport AG

Tourismus, Solidarität und globale Wirtschaftspolitik

Letztlich ist die Welt gefordert, Impfstoffe in die nicht finanzkräftigen Länder zu schicken, um Schlimmeres zu verhindern. Das aktuelle Dilemma zeigt, dass Gesundheitsmaßnahmen auch mit Entwicklungspolitik zu tun hat. Von der Tatsache, dass in Afrika dringend auf Impfstoff gewartet wird, während wir hier über die Einführung einer Impfpflicht diskutieren müssen, da es reichlich Verweigerer gibt, möchte ich lieber nicht nachdenken.

Nicht zuletzt müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass globale Krisen auch immer nationale Folgen haben. Im südlichen Afrika heißen sie: Wirtschaftlicher Ruin der Bevölkerung und damit auch kaum noch stattfindende Maßnahmen in Sachen Tier- und Naturschutz. Damit ist dann letztlich auch das Geschäftsmodell großer Tourismusmultis auf dem Prüfstand. Der Verdacht, dass zu wenig wirtschaftlicher Gewinn des Tourismus im Zielgebiet bleibt, drängt sich auf. Die Frage, ob solche Länder während einer globalen Krise besser dastünden, wenn in vorangegangenen Zeiten, mehr ökonomischer Gewinn im Land geblieben wäre, ist jetzt müßig. Aber die Feststellung sollte uns eine Lehre sein.

D-RR-Archivbild

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