05. Juli 2018
Mit Anna Roy zum Frühstück verabredet. Sie ist zuständig fürs “PR und Medien” der Mississippiküste. Sie entführt mich zu einem eher ungewöhnlichen Frühstücksspot. Das “Green House” ist in Laufweite vom Hotel und bietet wundervolle Frühstücksbisquits (wahlweise herzhaft und/oder süß) und dazu brüht man frisch gemahlenen Filterkaffee aus dem “Melitta-Keramik-Filter”. Wählen kann man zudem unter täglich wechselnden Kaffeesorten. Zum Frühstück sitzt man dann in einem ehemaligen Treibhaus. Man kann auch nach draußen in einen kleinen Garten gehen. Hätten wir das mal gemacht, denn draußen ist es bedeutend luftiger. Das stellen wir aber erst fest, als wir uns zum Interview ein ruhigeres Fleckchen suchen. Die “Mississippi Coast Line” kriegt dann demnächst noch ihre eigene Podcast-Story. Dann, wenn der Herbst droht und man wieder beginnt, von heller Sonne und Strand zu träumen.
Danach heißt es endgültig aufbrechen. Anna sagte mir noch, ich solle unbedingt über den Highway 90, entlang der Küste fahren. Es sei ja genügend Zeit.
Mein “Nissan Rogue” von Alamo Rent-A-Car hat tapfer durchgehalten und so gehe ich die letzten der insgesamt 3.000 Kilometer an, die ich mit meinem blauglänzenden Gefährt zurückgelegt habe. Ich habe mir das richtige Auto ausgesucht, denn – Tipp! – bei Alamo kriegt man kein Fahrzeug, sondern nur eine Kategorie zugewiesen. Das heißt, dass man sich in der Parkgarage unter den vorhandenen Wagen, einen seiner Wahl heraussuchen kann. Das hat große Vorteile, denn man kann neben dem Geschmack auch noch rationale Gründe, wie Sitzkomfort, Kofferraumgröße und Anderes seinen persönlichen Bedürfnissen anpassen.
Pünktlich beim Überfahren der Staatgrenze nach Louisiana beginnt es heftig zu regnen. Dafür gibt’s im Visitor’s Center an der Interstate 10, heißen Kaffee, kostenfrei. Ich hätte ihn lieber in der Sonne genossen, aber war nicht. New Orleans rückt näher. Die lange Brücke über den hinter der Stadt liegenden Lake Pontchartrain macht klar, wie groß dieser See ist und warum New Orleans während des Hurricanes “Kathrina” so abgesoffen ist. Die Wassermassen des Sees flossen damals fast ungehindert in die tiefer liegende Stadt. – Soll heute alles nicht mehr passieren können, sagt man. – Pünktlich hab ich den Flughafen erreicht. Übrigens habe ich schon erzählt, dass uns Deutschen überall unterstellt wird, dass wir IMMER pünktlich seien? – Jetzt hab ich’s getan. – Auto abgegeben (problemlos!) und dann zum Einchecken ins Terminal. Der Abflugmonitor verrät mir, dass meine Condor-Maschine mit einer Verspätung von etwa eineinhalb Stunden eintreffen soll. Kommt vor und Ärgern macht den Flieger nicht schneller. Letztlich sind es zwei Stunden Verspätung, als die Boeing 767-300 zum Flugsteig heranrollt.
Umso erstaunlicher, dass wir trotz einer Abflugverzögerung von zwei Stunden mit nur 35 Minuten Verspätung am Freitagmittag in Frankfurt gelandet sind. Rückenwind bis zu 260 km/h auf dem Nordatlantik sorgte für Schnelligkeit. Dass ich mich in der Business-Class wohlgefühlt habe, brauche ich eigentlich nicht zu erzählen. Frankfurt hat mich wieder. Alles hat prima geklappt. Jetzt wartet nur noch die Aufarbeitung von etwa 12-14 Stunden O-Ton-Material, denn die Podcasts tauchen ja dann demnächst erst richtig ins Thema ein. Freut Euch drauf!
04. Juli 2018 (Independence Day)
Ich habe sehr gut geschlafen in meinem wunderschönen Zimmer im “The Roost” in Ocean Springs an der Golfküste von Mississippi. Ich habe mir keinen Wecker gestellt, denn letztlich bin ich in den letzten zwei Wochen keinen Morgen später als sieben Uhr aufgestanden, meistens früher! Das “Roost” liegt in einer kleinen Seitenstraße, dicht am Strand und es ist herrlich ruhig.
Die Sonne scheint und es soll ein herrlich relaxter Tag werden. Kaffee plus mitgebrachte Chocolate Chip Cookies versüßen das Frühstück und dann wird es doch Zeit die Gegend zu erkunden. Es herrscht feiertägliche Stille in Ocean Springs. Das ändert sich erst, als ich mich, nach dem Morgenspaziergang im Örtchen, losfahre um ein wenig mehr zu sehen. Ocean Springs erinnert mich ein klein wenig an Charleston in South Carolina. Ich weiß, Vergleiche hinken immer, aber es ist wohltuend die Idylle und Atmosphäre der Küstenstadt zu erleben.
Das pralle Touristenleben empfängt einen, wenn man die große Brücke überquert und an den großen Hotelanlagen von Biloxi vorbeifährt. Hier ist heute schwer was los. Man sitzt beim späten Frühstück in den vielen Restaurants entlang der Coastline. Das Meer knallblau, der Sandstrand stechend weiß, bevölkert von vielen Menschen, die bereits jetzt den besten Platz fürs Feuerwerk am Abend suchen und finden, die Sonnenmarkise ausrollen, den Grill aufbauen, die Kühlbox an der Autobatterie anschließen und das Angelzeug auspacken. Irgendwie muss man ja die Stunden bis 21 Uhr überbrücken.
Es ist Independence Day, der vermutlich höchste Feiertag der USA und es wird neben der Familienseligkeit auch nicht an patriotischen Symbolen gespart. Bei aller Entspanntheit dieses Tages, der Nationalstolz spielt immer eine große Rolle. Es hängen gefühlt mindestens doppelt so viele Flaggen an Häusern und amtlichen Gebäuden. Blau-Weiß-Rot steht im Vordergrund der Deko.
Trotzdem, und das erstaunt mich, ist die örtliche Shopping-Mall im Normalbetrieb. Die meisten Läden sind geöffnet und es wird kräftig eingekauft. Und auch die Bedienung eines Coffeshops meint lapidar, bis 14 Uhr müsse sie noch arbeiten, dann sei July 4th. Seit 6 Uhr habe sie gearbeitet wegen des Frühstücksgeschäfts, also nix mit großer Feiertagsstimmung. Die geöffnete Mall kommt mir durchaus entgegen, es sind ja doch immer einige Einkäufe zu erledigen und Mitbringsel zu besorgen. Die Sonne brennt von Himmel wie in den letzten Tagen, mittags aber verfärbt er sich.
Dunkle Wolken ziehen auf und gegen 14 Uhr öffnen sich die Regenschleusen. Es schüttet von oben, was das Zeug hält. Da fahr ich lieber zurück und beginne mal mit dem Kofferpacken. In den 14 Tagen hat sich Einiges angesammelt an Material und – ich gestehe – an gekauften und geschenkten CDs. Für die bald folgenden Podcasts reicht es nicht nur über Musik zu reden, Man muss sie hören und fühlen.
Immerhin, nach drei Stunden ist der Regenspuk vorbei. Es ist “kühl” geworden, nur noch 24 Grad um 19 Uhr. Ideal um zum Abendessen nach einem Platz im Freien Ausschau zu halten. Bei uns würde man sagen, es sei absolutes Biergartenwetter. Apropos, über mein neues Lieblingsbier, mad in USA, habe ich noch garnix erzählt. Wer ein Freund des Weizenbiers ist, sollte unbedingt “Blue Moon” ausprobieren. Das Bier kam ursprünglich aus Golden in Colorado, inzwischen wird es von einem der Brauereigiganten in großen Mengen hergestellt. Das Rezept stimmt, das Bier ist süffig: Ein “Weizen”, das mit Orangenschale, Koriander und Hafer verfeinert (der Bayer würde sagen gepanscht) wurde. – Egal, mir schmeckt’s. Und dazu musste etwas sein, was ich auf dieser Reise noch nicht genießen durfte. Thunfisch kurzgebraten mit einer wundervoll leichten! Kräutermayo. Salat dazu. Passt!
Bis 21 Uhr besteht noch mal die Chance durch Ocean Springs zu bummeln. Um 9 hingegen muss man am Strand sein, denn dann startet das Feuerwerk. “Fireworks” gehören zum Independence Day wie “Chestnuts” zu Weihnachten. Am Strand von Ocean Springs ist man zusätzlich dadurch gesegnet, dass die großen Hotels am Strand von Biloxi ein großes Feuerwerk abbrennen.
Das kann sich sehen lassen. Die Partystimmung am kleinen Strand hält sich in Grenzen. Hier “macht man in Familie”. In Biloxi steigt bestimmt die große Party. Mir reicht es aber. Man kann hier herrlich seinen Gedanken nachgehen und die letzten zwei Wochen Revue passieren lassen. Ja, es hat sich gelohnt diesen Trip zu machen.
03. Juli 2018
Letzter echter Recherchetag und zum Schluss gibts nochmal einen echten Knaller.
Nicht dass das “Grammy Museum Mississippi” in Cleveland ohnehin schon einen Besuch wert wäre. Die kleine Schwester des großen Museums in Los Angeles hat sehr viel zu bieten. Die Ursache für die Zweigstelle liegt in der Tatsache, dass, über die vielen Jahre, die meisten Grammy-Preisträger aus Mississippi stammten. Am Werbespruch: “Mississippi – Birthplace of American Music” ist also was dran.
Der Knaller kam aber in der Person der Communications Managerin daher. NaCherrie Cooper ist die Urenkelin von Muddy Waters. Wenn das nicht Chancen birgt und Antworten liefert, denke ich mir und finde eine offene Gesprächspartnerin, die mir aber gleich sagt, sie könne alle möglichen Situationen aus dem gemeinsamen Lebensabschnitt und vom allerbesten Uropa der Welt erzählen. Den Musiker Muddy Waters, habe sie gerade erst begonnen zu entdecken. Freut Euch schon jetzt auf einen Podcast mit tollen Storys über eine kochende Blueslegende und eine Großpackung Kaugummi.
Natürlich hat sie mir auch das komplette Haus gezeigt. Es bei einer Rundreise durch den amerikanischen Süden auszulassen wäre sträflich. Das erst 2016 eröffnete Museum ist so interaktiv, wie ein Museum nur sein kann. Musik schreiben mit KebMo, Tanzen in unterschiedlichen Styles, eine eigene Band aufbauen – Alles geht. Infos gibt es natürlich auch jede Menge.
Vor der Weiterfahrt hat man mir in Cleveland, Ms. gesagt, müsse ich unbedingt noch die Dockery Farms sehen. Hier sei einer der Geburtsorte des Blues. Ein echter “Cotton-Gin” steht hier noch. Damit das keiner mit einem Drink verwechselt, hier wurde die gepflückte Baumwolle, sortiert, gereinigt und dann für die Weiterverarbeitung verpackt. Hier genau schufteten die armen Teufel, die sich mit dem Blues wieder Mut fürs Leben angesungen haben.
Einen Tag entspannen vor dem Heimflug. Dafür habe ich mir, auch wegen des 4. Juli (Independence Day, der höchste amerikanische Feiertag), ein Örtchen am Meer rausgesucht. Ocean Springs sollte es sein. Dumm nur, dass zwischen Cleveland und dem Golf rund 400 Kilometer liegen. Aber geschafft. Um 18 Uhr bin ich da. Auch hier ist die Luft feucht und warm. Aber es lässt sich irgendwie besser aushalten.
Das Abendessen ist einfach und lecker: “Tuna Melt Sandwich” mit viel Salat, Tomate, Gurke und Avocado. Dazu ein Krautsalat der besonderen Art. In der “Grocery” sind im Coleslaw, neben Weißkraut auch Paprika, Karotten und Stangensellerie. Schmeckt wunderbar.
Der Bummel durch das kleine Städtchen macht Lust auf mehr. Und das Hotel “The Roost” ist ohnehin eine Klasse für sich. Davon demnächst mehr.
Hier ist das “Roost” in Nachtbeleuchtung zu sehen. Der Tagesblick folgt dann, wenn ich wieder zuhause bin. Morgen ist 4. Juli und abends wartet überall in den USA ein Feuerwerk. Auch das werde ich von zuhause nachreichen. Denn: Morgen bin ich faul! Und Übermorgen wartet die Condor, um mich wieder nach Frankfurt zu fliegen. Apropos Fliegen, die Zeit hier ging wahnsinnig schnell herum und bald gibt es hier die ersten Hörstücke; auf der Seite und natürlich auch als Podcast.
02. Juli 2018 – “If You Don’t have the Blues, You’ll Get it”
Eben ist an meinem Übernachtungsort, Cleveland, Ms., ein heftiges Gewitter runtergegangen. Danach verschwand auch die Sonne am Horizont und man glaubt es nicht, vor der Tür kann man durchatmen. Es sind nur noch 26 Grad und das Saunatuch, das sonst in der Luft liegt, wurde dank Sonnenuntergang nicht ausgerollt. Tagsüber war es heiß, selbst der Morgen in Tupelo kam noch stickig daher.
Einmal Elvis musste am frühen Vormittag noch sein. In der “Tupelo Hardware Company” bekam Elvis die erste Gitarre seines Lebens geschenkt. Das Fahrrad als Geburtstagsgeschenk stellte sich als zu teuer heraus. Ein Verkäufer kam mit der Gitarre, Klein Elvis wollte lieber ein Gewehr. Glücklicherweise setzte sich Mama Gladys durch. Elvis bekam das Musikinstrument zum Geburtstag und wie man hier so schön sagt: “The Rest is History!”. – Dieser Geschichte gedenken die Besitzer des Hardware-Stores in der X-ten Generation auch heute noch. Irgendwie ist man ja schon stolz darauf, an Presleys Karriere beteiligt gewesen zu sein. Es ist eine extra “Elvis-Ecke” im Laden eingerichtet, mit vielen Gitarren und noch mehr T-Shirts. Alles kann, darf, soll man gerne auch kaufen.
Aber dann wieder mal “On the Road Again”. 130 Meilen oder zweieinhalb Stunden sind es zurück ins Delta, bis an die Wiege des Blues, nach Clarksdale. Die Stadt war mal reich in der großen Zeit der Baumwolle. Reich ist relativ: Wenige Reiche, viele Arme! Nach dem Bürgerkrieg und während der Zeit der “Segregation” ging es bergab mit Clarksdale. Das war der Stoff, aus dem sich der Blues hervorragend entwickelt hat. Erst seit ein paar Jahren geht es, dank des Blues, wenigstens im Bereich der touristischen Einnahmen wieder voran. Trotzdem, man sieht Clarksdale an, dass es bessere Zeiten gesehen hat. Ein prominenter Einheimischer sorgte unter Anderem dafür, dass die Musikszene wieder zum Leben erweckt wurde. Der Hollywoodschauspieler Morgan Freeman wuchs in der Umgebung auf und ließ seine Heimat nicht im Stich. Markantester Punkt seines Einflusses ist der “Ground Zero Bluesclub”, den er mit gegründet hat und der ihm zu einem Drittel gehört.
Von einem Fachmagazin wurde die Location zum besten Bluesclub der Nation ernannt. Drei Investoren haben den Club aufgebaut und damit kam wieder Leben nach Clarksdale. – Natürlich habe ich davon geträumt Morgan Freeman zu treffen und zu interviewen und natürlich ist er nicht da, als ich gegen Mittag den Bluesclub betrete. Wäre ja auch ein Wunder gewesen. “Morgan macht Urlaub in der Türkei”, erzählt die Clubmanagerin Lisa, gibt mir freundlich Auskunft und erzählt Alles, was sie weiß. Alles bestens, aber nicht Freeman.
Egal, der Blick ins Innere erzählt viel von der Atmosphäre. “Very Special” würde es der Amerikaner nennen. Ich nenne es Ausstrahlung und Bluesfeeling. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, welche Stimmung abends bei Live-Musik im Raum liegt. Tagsüber ist “Ground Zero Bluesclub” auch Restaurant und wer möchte, kann im oberen Stockwerk sogar übernachten. Der Blues im Club kommt mittags aus der Konserve und Lisa überredet mich zu einem leichten Lunch. Ja, da ist noch etwas, das ich noch nicht hatte. Frei nach Roman und Film erwarte ich “Fried Green Tomatoes” und bin begeistert. Ob diese Spezialität genauso lecker ist, wie die gebratenen grünen Tomaten von Itchie? Im Spielfilm sehen sie zumindest genauso gut aus.
Mit Lisa rede ich auch über die Musik und die immer mehr werdenden Festivals. Das berühmteste Bluesevent ist seit vielen Jahren das jährlich im April stattfindende “Juke Joint Festival”. Was bescheiden begann ist heute eine Mammutveranstaltung mit vielen Bühnen und noch mehr Musikern. “Wenn Du mehr wissen willst, dann musst Du zu Roger, ins “Cat Head”, meint sie und ich mach mich auf den Weg, die Straße runter.
Roger ist kein Einheimischer, aber er lebt schon viele Jahre in Clarksdale. Er sei, als Bluesfan und Festivalbesucher, hier hängengeblieben. Sein Laden ist eine ziemlich gigantische Ansammlung an Musik, Büchern und Memorabilia: Alles zum Blues! – Heute kümmert er sich um die Buchung der Künstler für die Großveranstaltungen und viele Locations. – “Ich beginne immer mit den Senioren”, erzählt er mir, “und hoffe, dass sie bis zum Festival noch unter uns und fit sind.” Leider sei es schon so, dass die “großen Alten” immer weniger würden. Das sei traurig und schlimm, meint Roger, denn: “Jeder vestorbene Senior entspricht dem Verlust einer Enzyklopädie des Blues.” Man könne den “Alten” eigentlich nicht genug Fragen stellen und die Antworten dokumentieren. – Trotzdem erlebe die Stadt, nach vielen schlechten Jahren, endlich wieder einen Aufschwung. Tourismus sei Dank. Früher seien die Leute an der Stadt vorbeigefahren oder hätten sich allenfalls ein paar Stunden aufgehalten. Jetzt blieben immer mehr über Nacht. Die nächte Großveranstaltung ist übrigens das “Sunflower River Blues & Gospel Festival”. Es findet vom 10. bis 12. August statt.
Das bringt mich zum nächsten angepeilten Ziel. Seit 1944 gibt es ein Hotel in Clarksdale, das eng mit der Geschichte des Bluesverbunden ist. Bessie Smith starb in einem der Zimmer nach einem Autounfall vor der Stadt. Das war allerdings schon 1937. Da war das Hotel noch ein Hospital. Ike Turner hat gleich mehrere Jahre hier gewohnt, genauso wie “Sonny Boy” Williamson oder Robert Nighthawk. Fast alle Größen des Blues sind hier ein- und ausgegangen. Es war das einzige “schwarze” Hotel der Stadt in der Zeit der Rassentrennung. Seit 1957 kümmert sich eine Familie ums Haus. Nach dem Tod des legendären Frank “Rat” Ratliff macht jetzt seine Tochter Zelena “Zee” weiter. Also hin. Es ist abgeschlossen. Check-In nur bei Vorreservierung und bis 17 Uhr geschlossen, steht auf einem hingekritzelten Zettel. Auch Klopfen nützt nix. Zee ist offensichtlich nicht da. Schade, so ist mir noch ein “Clarksdale-Blues-Star” durch die Lappen gegangen. Stattdessen fahr ich noch schnell zum “Delta Blues Museum”, gleich gegenüber vom “Ground Zero Bluesclub”. Es liefert tolle Details aus dem Leben vieler Bluesgrößen. Zum Reden finde ich leider Niemanden. Am Ticketschalter sitzt nur ein gelangweilter und wenig motivierter Teenie. Das Einzige, was er wirklich mitteilt, ist das Verbot zu Fotografieren.
Der Trip geht weiter nach Cleveland. Hier wartet Morgen das “Grammy Museum Mississippi” und ich hoffe auf ein tolles Interview mit NaCherrie Cooper. Sie betreut die Öffentlichkeitsarbeit des Museums, zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass sie die Urenkelin von Muddy Waters ist. Und so schließt sich der Kreis zum Blues mitten im Mississippi-Delta. Bye-Bye, Clarksdale, Mississippi.
01. Juli 2018 – Geistlichkeit, Gospel, Gute Gedanken
In der Tat beginnt der Tag besser, wenn man mehr als 5-6 Stunden geschlafen hat. Was theoretisch den Zeitplan durcheinander bringt, stellt sich als Balsam gegen Reisestress heraus. Der “Worship Service” der “16th Street Baptist Church” von Birmingham beginnt erst um 10 Uhr 45. Es bleibt also genügend Zeit für Dusche, Packen, Frühstück und sogar noch für einen Rundgang durch den “Kelly Ingram Park” der ja gestern wegen der Demonstration völlig überfüllt war.
Hab ich mir im Vorfeld wirklich Gedanken gemacht, ob ich in die Kirche gelassen werde? Was für ein Unsinn, denke ich, als mich bereits 5 Gemeindemitglieder am Eingang begrüßen, mir sagen, wie sehr sie sich freuen, dass ich gekommen bin. Das übrigens hat nix mit dem Journalistenstatus zu tun. Jeder wird so begrüßt. Von mir wollen aber Alle wissen, woher ich denn komme. Man fällt als Ausländer wohl doch auch optisch auf. Die Orgel spielt sehr lange und auch sehr traditionell. Währenddessen füllt sich die Kirche und dann bricht das durch, was einen immer so beeindruckt, bei einem dieser amerikanischen Gospel-Gottesdienste. Es wird gesungen. Menschen stehen auf und tanzen. Laute “Amen”-Rufe sind zu hören und der Gospelchor stimmt an und fast Alle singen mit. Mir fällt der Pop-/Soul-Song “We are Family” ein. Das, was da die Sisters Sledge singen, wird wahr. Man fühlt sich zugehörig.
Wenn dann Reverend Price die Anwesenden auffordert sich gegenseitig zu begrüßen und sich einen schönen Sonntag zu wünschen; wenn dann tatsächlich alle Aufstehen, herumlaufen und insbesondere Menschen begrüßen, die sie nicht kennen, ist es um die mentale Gelassenheit geschehen. So kann Kirche sein. Ich würde jetzt so gerne mitsingen. Wenn ich doch nur Melodie und Texte kennen würde.
Dumm, dass ich nicht bis zum Ende bleiben kann, den Elvis wartet, einmal mehr, im zwei Stunden entfernten Tupelo wieder in Mississippi. Tupelo ist sein Geburtsort. Und gerade die kleinen Leute sind stolz auf ihren Elvis. War er doch einer von Ihnen. Geboren unter ärmlichsten Verhältnissen. Papa Vernon hatte 1934 Baumaterial besorgt und auf einem Minigrundstück ein Haus mit 2 Zimmern, ohne Strom, ohne Wasser und mit einer Außentoilette gebaut. Im Januar des Folgejahrs kam “Klein-Elvis” auf die Welt: Als Zweiter. Sein Zwillingsbruder Jessie wurde eine halbe Stunde vor ihm, tot geboren. Es war eine Hausgeburt ohne ärztliche Betreuung. Zu teuer.
Aus diesem ärmlichen Umfeld hat er sich herausgearbeitet und wurde zum ersten weißen Star, des damals eigentlich schwarzen Rock’n-Roll. Diese Geschichte gibts in aller Ausführlichkeit demnächst hier zu hören.
Seine musikalische Prägung begann schon sehr früh. Da ist das Batterieradio im Schlafzimmer, da ist der Gemeindepfarrer der ihn musikalisch unterrichtet und da ist Mama Gladys, die ihm im örtlichen Eisenwarenhandel eine Gitarre kauft, wenngleich Elvis eigentlich ein Gewehr zum Geburtstag haben wollte. Der “Hardwarestore” steht heute noch. Eine Pflichtadresse, gleich morgen früh. – Das ganze Gelände, auf dem sich heute ein Museum, Elvis alte Kirche der Kindheit und ein Besucherzentrum mit Theater befindet, ist erstaunlich geschmackvoll. Elvis hatte die Stadt aufgefordert, das Gelände des Hauses und viel Platz drumherum zu kaufen. Bezahlt hat er es, mit Konzerten in seiner Heimat, für die er keine Gage nahm. Er wollte sein Elternhaus retten. Die Bebauung des Geländes drumherum entstand erst im Lauf der letzten Jahre.
Die Stadt ist stolz auf ihren berühmten Sohn. Überall findet man optische Berührungspunkte. Natürlich habe ich die Stadt nicht ganz gesehen. Downtown aber, die Innenstadt, entwickelt sich offensichtlich gut. Hier kommen angenehme Kleinstadtgefühle auf. – Das ist natürlich nur der oberflächliche Eindruck eines Spaziergangs nach dem Abendessen. Es ist immer noch heiß. Aktuell, beim Schreiben um 21 Uhr 30, leicht bewölkt und 30 Grad. Morgen schnellt das Thermometer wieder auf satte 35 und gegen Abend soll es regnen. Ich fahr Morgen noch einmal ins Bluesland, nach Clarksdale. Dort werden die Temperaturen ähnlich sein. Gute Nacht, Amerika und Guten Morgen, Deutschland. Die Reise geht weiter.
30. Juni 2018 – Warum manchmal was nicht läuft
Ich hätte vermutlich heute Morgen in einer e-Mail nicht schreiben dürfen, dass bei meiner Recherche bisher wirklich Alles geklappt hat. So was rächt sich gewöhnlich. Obwohl, eigentlich hatte der Tag doch gut begonnen.
Da war zunächst noch eine Ruhmeshalle in Muscle Shoals angesagt: Die “Alabama Music Hall of Fame” – Liegt gleich gegenüber vom Hotel, öffnet um 9 Uhr, also konnte ich sogar “ausschlafen”. Die “Hall” ist sicher noch ausbaufähig. Die Macher träumen davon, allerdings fehlt das Geld. Trotzdem begegnet man Musikernamen, die man nicht vollautomatisch in Alabama angesiedelt hätte: Nat King Cole, zum Beispiel.
Zum nächsten Termin kommen George (mein persönlicher Fachmann und Betreuer in Muscle Shoals) und ich dann schon mal eine Viertelstunde zu spät. Irgendwie haben wir uns wieder festgequatscht und George Leirs Spezialkenntnisse und Storys sind unerschöpflich. Das größte Studio in den Shoals, da wo gestern Abend das Konzert stattfand, hatten wir ja noch nicht en Detail gesehen.
Eigentümerin Tonja S. Holly nimmt die Verspätung gelassen, macht eine komplette Tour mit uns und plaudert auch ganz gut aus dem Nähkästchen: Über den Stolz, wer hier schon produziert hat, über die indianische Kraftquelle beim Studio (den “singenden Fluss”, der heute Tennessee-River heißt) aber auch über die Momente, in der sie ziemlich ratlos war. – “Was tust Du, wenn ein Tornado mitten durch Dein Gebäude braust und einen Millionenschaden anrichtet?”, fragt sie mich eher rhetorisch. Natürlich weitermachen, war 2015 ihre Antwort. An den Folgen knabbert sie teilweise heute noch. Nichtsdestotrotz fallen auch Namen, die Begeisterungsstürme auslösen. Julian Lennon hat hier ein Album gebastelt. Eric Clapton war zum Mischen hier. Von Bob Dylan gibts ein Foto, das ihn im Eingang des Studios zeigt. Es wurde ursprünglich von der berühmten “Rhythm Section” den Gründern des “Muscle Shoal Sound Studios” eröffnet. Zwischenzeitlich gehörte es mal zu Malaco Records, deren “Boss” Wolf Stephenson ich schon in Jackson, Ms. getroffen hatte. Seit 2005 ist sie die Chefin, produziert, organisiert, überwacht und arbeitet ganz nebenbei auch noch im Filmgeschäft als Regisseurin und Regieassistentin. Erwähnt werden soll noch, dass ihr Mann, als Gitarrist, jahrelang mit Little Richard auf Tour war. Am Montag hat sie Geburtstag: Happy Birthday Tonja!
Aus den Shoals bin ich dann pünktlich weggekommen. Schon unterwegs spürte ich eine bleierne Müdigkeit. Eigentlich kein Wunder, wenn draußen wieder mal über 36 Grad angesagt sind, bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Trotzdem bin ich vor der Zeit in Birmingham. Pünktlich gegen 4 erwarte ich meinen Guide Barry McNealy vorm Hotel. Nachdem er nicht kommt, checke ich seine Telefonnummer, um dann zu lesen, dass ich ihn um 16 Uhr am Civil Rights Institute, seinem Arbeitsplatz, hätte treffen sollen. Barry ist gnädig und holt mich schnell am Hotel mit dem Auto ab, denn um 17 Uhr ist ja das Interview mit Reverend Arthur Price, dem Priester der “16th Street Baptist Church” festgesetzt.
Ergebnis: Reverend Price hat den Terim vergessen und ist nicht da. Morgen hat er erst Zeit, wenn ich schon wieder auf der Straße sein muss. Bleibt also nur die Hoffnung auf gute Töne während des Gottesdienstes; Morgen um 10 Uhr 45. Musikalisch ist dann Gospel angesagt. Inhaltlich wäre natürlich noch mehr zu fragen gewesen. – Zum Beispiel wie das damals war, als Ku-Klux-Klan Mitglieder am Nebeneingang der Kirche ein Bombe zündeten, bei der vier 11-12jährige Mädchen ums Leben kamen. Das war zur Zeit des “Civil Rights Movement” am 15. September 1963.
Das Thema hat dann Barry für den Reverend aufgegriffen. Der Park neben dem “Civil Rights Institute” und gegenüber der Kirche ist gefüllt mit Menschen. Sie protestieren gegen die Einwanderungspolitik ihres Präsidenten. “Es wird wenig Erfolg haben”, sagt Barry lapidar, “aber es ist gut, wenn die Aufrechten den Kampf um Freiheit, Nächstenliebe und Menschlichkeit trotzdem nicht aufgeben.” – Wir kommen ins Reden während des Rundgangs. Er schüttelt den Kopf, als ich ihm von unserer Flüchtlingsdiskussion in Deutschland berichte und fragt, ob wir denn nichts aus der Geschichte gelernt hätten? Leider geschehe das Vorpreschen rechter Mächte aktuell an vielen Plätzen in der Welt. Unsere Diskussion geht während der Besichtigungstour weiter. Unterwegs treffen wir seine Frau, samt Schwiegermutter und Tochter. Die kommen gerade von der Demonstration. Barry nimmt mir das Versprechen ab, wiederzukommen. “Wir müssen unbedingt weiter reden”, sagt er und setzt mich gegen halb 7 am Hotel ab.
Ist noch Zeit bis zum Aufbruch zu Gip’s, denke ich mir und machs mir auf der Couch meiner Minisuite (Thank you Birmingham Tourism!) gemütlich. Hatte ich schon von der bleiernen Müdigkeit geschrieben? – Jetzt packt sie mich wirklich und “mir nix – Dir nix” ist es 22 Uhr 30 als ich aufwache. Jetzt noch zum Jukejoint, zu “Gip’s Place” fahren? Bis ich dort bin, ist der Abend fast gelaufen. Mist, aber nicht zu ändern. Nicht mehr. Stattdessen hab ich wenigstens das Tagebuch weitergeschrieben und lege ich mich jetzt ins Bett. Hoffentlich kann ich einschlafen, nach meinem unfreiwilligen Break. Ja, es gibt Tage, da läuft’s einfach nicht und Keiner weiß so recht warum.
29. Juni 2018 – “Hit-Recording Capital of the World” – The Shoals
Der Tag hat heute sehr grün begonnen. Dank der Frühstücksverabredung mit Aubrey Preston, dem Erfinder des sogenannten “Music-Triangle”, bekam ich heute Morgen sehr viel grünes Tennessee zu sehen. Auf die Erklärung der Triangel-Idee müsst Ihr noch warten bis zum ersten Podcast. Die Landschaft liefere ich schon jetzt.
Ein kleines Paradies mit Dörfchen so, wie man sich das alte Amerika vorstellt. Das “Little Paradise” heißt Leipers Fork und liegt einige Meilen südlich von Nashville an der Strecke nach Alabama. Mein Ziel heute liegt auch in Alabama und ist auf den ersten Blick, völlig unerklärlich, die eigentliche Hitfabrik der USA.
Hier liegen Tonstudios, die einen so großen, positiven Ruhm haben, dass Stars aus aller Welt, beginnend mit den 1960er Jahren, regelrecht Schlange standen und stehen. Selbst die Stones haben hier schon produziert. Raus kam das Album “Brown Sugar”.
“Heute können wir ja drüber reden”, erzählt mir der Studiopartner und zwischen Ruhestand und Studiobassist schwankende David Hood, denn “die Stones waren auf Tour in Miami, durften eigentlich nur auftreten, aber nicht im Land arbeiten. Wir habens dann trotzdem gemacht. Hier fielen die Jungs nicht so auf. Das Ganze war aber höchst illegal, deshalb durften wir als Studio auf nicht auf dem Cover stehen.” – Das ist jetzt lange her. Wie lange, lässt sich am Foto ablesen. Na, wo steht er denn, der David Hood?
“Muscle Shoals Sound” ist, auf den ersten Blick, am ehesten als “Museum” zu bezeichnen. Hier gibts noch ziemlich viele alte Geräte und Gerätschaften und man hat inzwischen ein durchaus einträgliches Zusatzgeschäft: Studiotouren. Dieses Studio entstand, als sich 1965 einige Musiker des ersten Studios in Muscle Shoals, selbstständig machten und selber ein Studio übernahmen. Mit großem Erfolg und zu Beginn zum Missfallen von “Fame-Studio”-Besitzer Rick Hall. Aber die Zeit heilt Wunden und Rick Hall war trotzdem ein Meister seines Fachs. Er verstarb am 2. Januar dieses Jahres. Seitdem gibt Sohn Rodney den Ton an. Er gibt sich im Reiesradio-Interview aber sehr zuversichtlich…
“Das Studio mitsamt aller Gerätschaften ist up to date. Die Aufträge stimmen, also sind wir guten Mutes”.
Man drückt die Daumen und ich zieh noch ein Studio weiter. Die in unmittelbarer Nähe des Flughafens liegenden “Wishbone Studios” haben sich auf die Produktion mit Singer/Songwritern spezialisiert. Mitgründer Terry Woodford,, der das Studio vor rund 30 Jahren verkauft hatte, lebt seit Kurzem wieder in Alabama. Zu seiner Zeit arbeitete das Studio ziemlich flächendeckend unter Anderem für die Commodores und Motown-Records. Sein Geld hat er mit ganz anderen Produkten gemacht. “Der Zufall wollte es, dass ich den Auftrag bekam, Schlaflieder für Hunde zu produzieren. War ein Riesenerfolg, Weitere Schlaflieder folgten: für Katzen, für Babys u.s.w. – Die jeweilige Auflage geht in die Millionen.
Die unterschiedlichen Ansätze, die Frage, was denn nun eine Produktion aus Muscle Shoals zu etwas Besonderem macht, klären wir sicher ausführlich in den folgenden Podcasts. Eins steht sicher fest: Wer im Lauf der Jahrzehnte zum Beispiel Aretha Franklin, Percy Sledge, Wilson Pickett oder eben auch die Rolling Stones glücklich gemacht, muss etwas ganz Besonderes bieten. Ich behaupte mal: Professionalität, hervorragende Studiomusiker und das Einlassen auf fast jeden gewünschten Sound. Countrymusik gehört hier überall auch dazu. Ich hab Glück, denn Studio Nummer 4 feiert sein Vierzigjähriges mit reichlich Konzerten.
Das “Cypress Moon Studio” liegt malerisch am “Tennessee-River” und bietet heute Abend eines seiner Feierkonzerte. Die “Amazing Rhythm Aces” spielen Country-Music im zum Studio gehörenden kleinen Theater.
Inhaberin Tonya S. Holly hat alle Hände voll zu tun. Wir verabreden einen Kaffeetreff, gleich Morgen früh. Die Sonne geht in der Konzertpause überm Fluss unter. Die Temperatur sinkt auf etwa 26 Grad, heißt soweit, dass man, wenigstens in Ansätzen, wieder durchatmen kann. Es ist Sommer in Alabama und Morgen um 9 beginnt ein neuer Tag mit neuen Themen.
28. Juni 2018 – Meet Patsy & Johnny – It’s Countrymusic-Time
Gestern spät angekommen. Heute früh aufgestanden. Nicht nur der Kaffee ist gut im “Hotel Indigo” in der Union Street. Hier wartete das bisherige Zimmerhighlight auf mich: Wunderschön!
Erstes Treffen des Tages ist das, mit zwei Ikonen der Countrymusic: Patsy Cline und Johnny Cash teilen sich ein Gebäude mit ihren kleinen feinen Museen.
Wer sich, wie ich, mit Countrymusic nicht so gut auskennt, ist hier an der richtigen Stelle. Johnny Cash war ein ganz Großer und Patsy Cline wäre vermutlich ähnlich “groß”, wäre sie nicht nach wenigen Karrierejahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.
Beide “Helden” werden auch sehr persönlich vorgestellt und man kriegt eine Ahnung, wie man in der Szene tickt und was deren Privatleben ausgemacht hat. Über Beide gibt es Spielfilme, die sehr authentisch sind. Vielleicht mal ansehen? – “Walk The Line” (das Opus über Cash) kann ich nur empfehlen!
Den Overflow an Info liefert die “Country Music Hall Of Fame”, zwei Straßenblocks weiter. Die Macher haben ganze Arbeit geleistet. Ich kann es sicher nicht beurteilen, aber ich vermute, hier werden wirklich alle Fragen beantwortet. Ganz “Ami-Like” erlebt man am Ende quasi den “Schrein”des “Country”. Die eigentlich Hall of Fame ist wirklich eine riesige Halle mit einer noch riesigeren Rotunde (unten links im Bild!). Rundherum befinden sich die Plaketten aller Mitglieder des erlauchten Kreises. Ich musste, verzeiht mir den despektierlichen Vergleich, an Plaketten auf Hochgräbern denken. Nichtsdestotrotz, die “Hall of Fame” ist ein Muss!
Für Studiofreaks oder solche, die es werden wolle, empfehle ich den Ausflug ins “Studio B” von RCA. Kann man in der Hall buchen. Per Shuttlebus geht’s hin und zurück und vor Ort erfährt man ziemlich viel über das Studio, in dem Elvis die meisten seiner Aufnahmen für RCA gemacht hat.
Tragische Story am Rande: RCA hatte beschlossen, das Studio am 17. August 1977 endgültig zu schließen. Genau einen Tag vorher verstarb Elvis. Wenn das kein Stoff für wilde Theorien ist. – Die endgültige Wahrheit gibt’s dann demnächst im Podcast.
Die Countrymusic wurde in den USA flächendeckend berühmt durch die “Grand Ol’ Opry”, die älteste laufende Radiosendung der Welt. Premiere, im nur vier Wochen vorher gegründeten Radiosender WSM, war am 28. November 1925. – Die längste Zeit (1943 – 1974) kam die Übertragung aus dem “Ryman Auditorium” in der 5th Avenue.
Danach wurde mit dem Opryland eine neue Bühne inklusive Hotel und Freizeitpark vor der Stadt gebaut. Den Freizeitpark hat man inzwischen wieder geschlossen. Stattdessen soll man jetzt auch zum Einkaufen kommen. Auch schön. Aber gerade die Einheimischen freuen sich auf November bis Januar. Dann kommt die Show inzwischen wieder wöchentlich aus dem Ryman Auditorium, das eigentlich als “Union Gospel Tabernakel” gebaut wurde. Zu verdanken ist das Schmuckstück dem Schiffskapitän und Handelsmann Tom Ryman. Er stiftete das Geld für das Gebäude, das 1892 öffnete.
Kurze Entspannung und ein Treff auf einen Kaffee mit dem deutschen Musiker Thomm Jutz, der inzwischen seit 15 Jahren in Nashville lebt. Es war ein Traum, den er für sich wahr gemacht hat. Allerdings ist dieser Traum auch mit sehr viel Arbeit verbunden. Demnächst kommt er hier in den Podcasts direkt zu Wort. Außerdem hat er mir noch ein paar Tipps für den Abend gegeben. Dementsprechend musste zumindest ein kurzer Bummel über den “Broadway” von Nashville sein (nicht das Topziel von Thomm). Aber, ist in der Nähe und der tägliche Post stand noch an (und ist jetzt gleich fertig).
Morgen klingelt der Wecker schon um halb 6. Auf dem Weg nach Muscle Shoals bin ich mit Aubrey Preston verabredet. Der war und ist ein wichtiger Mann in Sachen Countrymusic und Musik insgesamt. Er hat das “Music Triangle” erfunden. Was dahinter steckt, erfahrt Ihr Morgen! Good Night, wherever you are…
27. Juni 2018 – On the Road im besten Sinn
Nach einem Tag in der Stadt steht zwar am Vormittag noch ein wichtiger Showbesuch an. Danach aber geht’s aufs Land, links und rechts der Interstate zwischen Memphis und dem heutigen Ziel Nashville. Der Morgen gehört aber eindeutig und ziemlich flächendeckend dem King of Rock’n-Roll.
Elvis Presleys Graceland ist inzwischen eine genauso gut durchgestylte Unterhaltungsmaschine, wie die Freizeitparks von Disney, Universal und Co. Hier steht aber eine musikalische Legende im Mittelpunkt. Der Fan und Besucher aus aller Welt lässt sich das was kosten. Die Eintrittspreise liegen je nach Paket zwischen 45 und 170 Dollar pro Person. Allerdings hat sich Graceland, seit meinem ersten Besuch vor 24 Jahren auch mindestens vervierfacht. Ach ja, Parken kostet extra: 10 Dollar. – Dafür bekommt man neben der Tradition und dem intimen Blick ins Wohnhaus inzwischen auch eine ziemlich geschlossene Dokumentation über Elvis Presley. Militärzeit in Deutschland inklusive. Ist teuer, aber lohnt sich für den Fan auf alle Fälle.
Am frühen Nachmittag dann die Reise übern Highway. Countryside rechts und links der Straße. Auch hier Baumwolle, soweit das Auge reicht. Und mitten drin die Heimat von kleinen und großen Stars. Im “Delta Heritage Center” treffe ich nicht nur die Verantwortliche Sonia Outlaw, sondern auch ein Bluestrio. Linzie, Jimmy und Elam. Linzie Butler hat auch die Blueslegende von Brownsville “Sleepy John Estes” gut gekannt. So gibts erst mal eine kleine Jam Session, bevor dann der symbolische Auftritt eines Stars aus dem benachbarten Nutbush ins Interesse rückt.
Ja, die kleine Ami Mae Bullock ging hier zur Schule und wurde zum Superstar des Rock: Tina Turner. Das im Song “Nutbush City Limits” erwähnte Schulhaus, steht heute, nach Umzug und Restaurierung neben dem Visitors Center und wartet als kleines Tina Turner Museum auf Besucher. Es könnten mehr sein. Ich kann den Stop in Brownsville nur empfehlen.
Die nächste Station wartet mit einer weiteren Diskussion um die Frage, wo den nun der Geburtsort des Rock’n-Roll war. Die Menschen in Jackson, Tennessee, sagen, das sei natürlich bei ihnen gewesen. Denn hier aufm Land, habe sich aus Blues und Gospel, das entwickelt, was später in Memphis von Sam Philipps auf Platten gepresst wurde. Da nun auch einer der legendären frühen Stars, Carl Perkins, aus Jackson stammt, sei das doch wohl klar mit der Heimat. Ich merke, der Interpretationsspielraum ist groß.
Nicht streitig kann man Jackson einen amerikanischen Helden machen. Casey Jones, der berühmteste aller amerikanischen Lokomotivführer stammt aus Jackson. Als Eisenbahnpionier hatte er einen Ruf wie Donnerhall. Er verstarb bei einem Zugunglück und er kam nur ums Leben, weil er es unbedingt schaffen wollte, alle Passagiere zu retten. Es gelang. So wird man zur Legende. Rund ums Wohnhaus steht inzwischen eine Art “Open Air Museum” mit Casey Jones – Haus und dem Old Country Store. Gegründet als Antiquitätenmuseum ist es seit seit vielen Jahren ein hervorragend florierendes Büffetrestaurant mit leckerer wenngleich nicht kalorienarmer Südstaatenküche.
So geht ein Tag langsam zu Ende. Um halb Acht bin ich dann in Jackson weggekommen. Bis Nashville 135 Meilen sagt mein Navi. Kurz vor 10 war auch ich dann am Ziel, für heute. Denn Morgen warten die “Country Music Hall of Fame” und Einiges mehr. Ein Kaffee am Morgen darf gerne auch sein.
26. Juni 2018 – Alles Musik: “Gimme Memphis, Tennessee!”
Das war heute ein langer Tag, aber er war inhaltlich sehr erfolgreich. Das Tagesprogramm wies die unterschiedlichten Musikstile und Gesprächspartnerinnen und -partner aus. Und die Genres sind so bunt wie unterschiedlich.
Stax, hieß eine Plattenfirma, die bis in die siebziger Jahre hinein, massenhaft Hits produzierte, verkaufte und damit sich und den engagierten Künstlern viel Geld brachte. Hier geht es um Soulmusic. Große Namen spielen da eine Rolle: “Booker T & the MG’s”, Otis Redding, Carla Thomas, Sam & Dave, Isaac Hayes. Stax war eines der erfolgreichsten Soullabels zwischen 1963 und 75. Die immer noch im Raum schwebene “Segregation” spielte bei den Stax-Künstlern keine Rolle. Innerhalb der Firma gabs keine Rassenunterschiede. Die Rassisten saßen draußen und waren sauer über den Erfolg und das bereitete Stax ein Ende, sagen Insider. Irgendwann war gewaltsam Feierabend. Das Gebäude verfiel und wurde abgerissen. Dann kam es zum Revival als Museum, Stiftung und Schule. Stax wurde als Museum wieder aufgebaut. Gegründet wurde eine Stiftung, die es Kindern des Stadtviertels ermöglicht, normale Schulausbildung und musikalische Bildung zu bekommen. Das, für wenig bis gar kein Geld. Stax lebt wieder und sorgt für ein Viertel, indem bis heute 60 Prozent aller Kinder unterhalb der Armutsgrenze leben müssen.
Stax ist Soul, aber Soul, R&B und auch “nur” Blues ist in Memphis zuhause. Deshalb gibt es nicht umsonst genau hier die “Blues Hall of Fame”. Wer endlich einen Gesamtüberblick über das Phänomen “Blues” kriegen will; hier ist er richtig.
Betrieben wird das Ganze von der “American Blues Foundation” und die leistet ganze Arbeit für den Blues, weltweit. Sie benennt auch die jährlich neuen Mitglieder der “Hall of Fame”. Ich hätte Lust gehabt ein paar Stunden zu bleiben, aber das ging ja nicht: Termine, Termine, Termine. 😉
Der Rundgang durch die Tourimeile von Memphis, die Beale Street, findet gleich zweimal statt: Mittags und abends, Im Hellen und im Dunkeln, mit und ohne fachkundige Begleitung. Rund 25 Clubs und Kneipen reihen sich aneinander und überall gibt’s Musik, nicht aus der Konserve, sondern Live und Lebendig!
Und nochmal Black Music und Blues. In den “Royal Studios” entstanden berühmte Instrumentals der 1960er Jahre und gleichzeitig wurde schwarze Musikgeschichte geschrieben. Al Green war und ist der Star des Studios. Auch wenn er bei uns nicht die Berühmtheit erlangt hat, die ihm zustehen würde, für “Royal” und sein Plattenlabel “H-Records” hat er Geschichte geschrieben, als der schwarze Künstler der 1970er Jahre mit den meisten verkauften Alben. Demnach gilt auch heute noch: “Let’s Stay Together”, sagt mir Boo Mitchell, der Sohn des Gründers. Allerdings haben hier auch andere Stars produziert. Die Reihe reicht von Ike & Tina Turner über Chuck Berry, Keith Richards, Rod Stewart bis zu Bruno Mars. Und auch heute wird durchgehend gearbeitet. Das sei keine Touri-Attraktion, sagt Boo, nur wenn das Studio leer stehe, kann man mal reinschauen. Glücklicherweise stehe es selten leer, fügt er hinzu und bringt mich zum Ausgang. Auf dem Weg dorthin mache ich noch ein Foto von DEM Mikrofon. Mit diesem Teil hat Al Green alle seine Hits aufgenommen. Ein anderes Mikro kam ihm nicht in die Tüte.
Bliebe noch die Sonne des Rock’n-Roll. Jeder hat schon vom “Sun Studio” gehört. Es war das Studio in dem Gründer Sam Philipps die ersten Aufnahmen machte mit Elvis Presley, Roy Orbison, Jerry Lee Lewis, Carl Perkins und Johnny Cash. Hier war nach der Einstellung des Betriebs nur noch Gebäudemasse übrig. Erst Mitte der 1980er Jahre entschloss man sich “SUN” auferstehen zu lassen: Hauptsächlich als Touristenattraktion. Produziert wird aber gelegentlich auch noch; Abends, wenn keine Besucher mehr da sind. Immerhin, in diesem Studio sind auch Aufnahmen von U2 (Rattle and Hum) entstanden. Tagsüber kriegt man aber klasse und amüsante Führungen mit Geschichten und Anekdoten rund um die erste Platte von Elvis. Sie wurde selbstredend natürlich nicht von Sam Philipps, sondern von seiner Seketärin aufgenommen. Für den Erfolg von “That’s All Right, Mama” setzte er sich aber trotzdem ein und brachte die frisch gepresste Platte ins Studio des Radiosenders “WHBQ”. DJ Dewey Philipps, nicht verwandt und verschwägert, fuhr voll auf das Teil ab und sendete es im Powerplay.
Ansonsten verdient man sein Geld mit den Besuchern. Bis zu 900 zählt man an guten Tagen. Und viele kommen wegen Elvis und fahren dann gleich nach Graceland weiter. Das steht Morgen auf dem Plan, neben der Weiterfahrt zu Tina Turner und dem Erreichen der Welthauptstadt der Countrymusic. Nashville.
25. Juni 2018 – Blues, Blues & Blues
Hey, wir sind in Mississippi. Hier hat man den Blues und wenn man ihn noch nicht hat, dann sollte man was dran setzen, ihn zu kriegen. Das Delta ohne Blues geht nicht, das ist mir seit heute endgültig klar. Man kann das natürlich immer aus mehreren Blickwinkeln sehen und man(n) müsste auch viel länger da sein, um das Feeling besser beschreiben zu können.
Was also gehört dazu? Der typische Südstaatensommer. Er ist nicht nur warm, er ist heiß. Es gibt nicht eine hohe Luftfeuchtigkeit, es ist so, als wenn Du in ein feucht-warmes Saunatuch hineinläufst, beim Verlassen des Hauses oder Autos. Das, gekoppelt mit einer Fahrt auf endlos langen, immer geradeaus führenden Straßen, mit Baumwollfeldern links und rechts, allenfalls im Wechsel mit Mais, führt dazu, dass Du Dich körperlich müde fühlst. Das Denken wird langsamer, die Bewegungen auch. So erklärt sich auch die Musik. Wie sagte mir Bluesmusiker Billy Branch aus Chicago: “Du kannst nicht sagen, ich hab den Rock’n-Roll oder den Hiphop, aber Du kannst sagen, ich hab den Blues.” (Nachzuhören in der Reiseradioausgabe Nummer 1.)
Mit Wolf Stephenson, Vice-President von Malaco Records, habe ich heute Mittag philosophiert. Gibt es den echten Blues noch? Stirbt er, weil ihn kaum noch jemand hört und ihn noch weniger spielen (können)? Welche Auswirkungen wird das auf Malaco Records haben? Die Firma produziert seit 1962 Musik, darunter sehr viel Blues. Seine Story zu hören, ist spannend ohne Ende. Die Machtkonzentration in den Medien macht so Vieles kaputt, sagt er mir und die alten Bluesjungs sind auch nicht mehr da.
Diesen Gedanken im Kopf fahre ich nach Indianola ins B.B. King Museum. Auch der BB, der Bluesboy, ist nicht mehr unter uns.
Das Museum aber hat er noch mitbekommen und es nach Kräften unterstützt. Mehrmals jährlich schaute er vorbei und äußerte auch den Wunsch, auf dem Gelände des Museums begraben zu werden. So geschah es dann auch, erzählen mir Malika Polk-Lee und Robert Terrell, die leitenden DirektorInnen des Museums. Es ist gänzlich privat und muss sich aus Spenden finanzieren. Das gelingt offensichtlich recht gut, denn man plant einen Erweiterungsbau. Seit vorletzter Woche ist man auch direkter Partner des “Grammy Museums” in Cleveland/Mississippi. – Das werde ich gegen Ende meines Trips auch noch erleben.
Das “Saunatuchwetter” (die Spitzentemperatur lag heute bei 36 (gefühlt 41) Grad sagt der Anchorman des Weatherchannel) macht schlapp. Die Straße scheint kein Ende zu nehmen; die Baumwollfelder rechts und links auch nicht. Es ist später geworden als gedacht, aber die Gespräche mit tollen Menschen hindern mich immer am hektischen Aufbruch. So liegen mir jetzt auch noch die echten Sorgen der Profis um den Blues auf der Seele. – Vielleicht müsste man einfach losziehen und “die Band wieder zusammenbringen”.
24. Juni 2018 – Michelles Frühstück, Bürgerrechte, Nostalgie
Es gibt sie immer wieder: Die Begegnung mit Menschen, die eindrücklich und nachhaltig ist. Heute Morgen hatte ich so eine Begegnung, als ich in aller sonntäglichen Frühe meinen Mietwagen am Flughafen in New Orleans abgeholt hatte und vor der Fahrt auf die Interstate beschloss, dass ein kleines(!) Frühstück doch ganz schön wäre. Kleine Frühstücke gibt es eigentlich nicht bei uns, sagt Michelle. “Wirklich nur eine Waffel?”, fragt sie ungläubig, gießt schon mal den Kaffeebecher voll und fragt dann das, was man als Ausländer öfter in den USA gefragt wird. “Where Do You come from?” – “Germany”, sage ich und kriege zur Antwort: “Ah, the Leader of the Free World.” – Daraus ergibt sich ein Gespräch der besonderen Art, mitten in einem Frühstücksdiner von Louisiana. Sie spricht leise und beim Wort “Trump” beugt sie sich noch einmal näher zu mir und nimmt die Hand neben das Gesicht. Ganz so, als wolle sie verhindern, dass Jemand mithört. Der Laden ist gerammelt voll, die Kollegen sollen es wohl in keinem Fall mitbekommen.
Es sei eine Katastrophe, nein, ER sei eine Katastrophe. Er treibe die USA in den Ruin. Gerade jetzt wieder, die Flüchtlingskinder. – Mein Gegenüber ist keine Revoluzzerin, eher die amerikanische Rentnerin um die 60, die sich, wie viele, ein Zubrot verdienen muss. – Sie möchte gerne meine Visitenkarte haben, nachdem sie erfahren hat, dass ich Journalist sei. Sie wolle mir unbedingt auf Twitter und Facebook folgen und jetzt mache sie mir noch eine Waffel zum Mitnehmen, dann hätte ich am Nachmittag noch einen Snack. “God bless this Country”, raunt sie und überreicht mir die Waffel, in viel Plastik verpackt. Eigentlich hätte ich sie bitten sollen ein gemeinsames Foto zu machen. Vermutlich ist ihre Anonymität aber besser.
Der Mittag und Nachmittag bringen Bürgerrechte aufs Programm. Seit einem halben Jahr gibt es das “Civil Rights Museum” in Jackson, der Hauptstadt von Mississippi. Der Gang durch die interaktive Ausstellung ist eindrücklich.
Auch wenn man, wie ich, schon fast zwangsläufig, viel amerikanische Geschichte kennengelernt hat, schlagen einem die Vorkommnisse rund um Rassentrennung, Ku-Klux-Klan, Bürgerrechtsbewegung, immer noch stattfindende Benachteiligung aufs Gemüt. “Das muss und soll auch so sein”, betont Museumsdirektorin Pamela Junior. Im Gespräch hat sie auch viel zu meinem Thema “Musik” beigetragen.
Dem Geschocktsein folgt anschließend die virtuelle Begegnung mit Scarlett O’Hara. Irgendwie fühle ich mich etwas “Vom Winde verweht”, als ich in die Einfahrt zum “Fairview Inn” einbiege.
Nein, das Hotel (full Southern Breakfast included) ist erst weit nach dem Bürgerkrieg gebaut worden. Es repäsentiert aber äußerlich genau, diese protzige Ignoranz manch mächtiger Menschen, die in Mississippi die Rassentrennung bis zum Mord verteidigt haben. Das ist gerade mal 50 Jahre her. Ich denke an Michelle. “Leader of the Free World…” – Das sind wir Deutschen aktuell auch nicht.
Trotz aller thematischer Auseinandersetzung; ich bin ich fasziniert von meiner Unterkunft. Morgen werde ich den Besitzer Peter Sharp beim Frühstück kennenlernen. Er stammt aus Großbritannien. Diesem Umstand folgend, ist mir der wundervoll konservative Schnick-Schnack wieder sehr sympathisch.
23. Juni 2018 – IHOPs Kalorien, Louis’ Cornet, Vampire’s Grab
Manchmal gibt einem das Leben Rätsel auf. Warum, habe ich mich heute beim Frühstück gefragt, gibt “IHOP” (für nicht Insider: International House of Pancakes) auf seiner Karte jetzt die Kalorienmenge der einzelnen Gerichte an? Zumal, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass ein Omelette gerne mal 1.200 Kalorien zählt und selbst meine “kleine” Pfannkuchenportion um die 650 Kalorien mitbringt. Darben mit Obstsalat (der hat auch noch 380) oder Ignorieren? – Wie Ihr seht, habe ich ignoriert, dafür aber bis zum Abend nix mehr gegessen.
Immerhin bin ich danach eine knappe halbe Stunde bis zum Jazzmuseum gelaufen. Ein Haus für Spezialisten, denn wer meint, hier werde man mal schnell in die Jazzgeschichte eingeführt, irrt. Dafür erfährt man aktuell ganz viel über Frauen im Jazz, die ja sonst gerne mal totgeschwiegen oder auch vergessen werden. Besondere Stücke warten auch auf den Besucher, genauso wie regelmäßige Konzerte und Lehrveranstaltungen im Museum. Auf die Klärung des Begriffs vom “Mardi Gras Indian” müsste ihr warten, bis der Podcast, nach dem Trip, erscheint. – Die erste Trompete von Louis Armstrong, zeige ich Euch aber gern.
Der Nachmittag führte, mit dem Garden-District dann in eine andere, sehr weiße Welt. Die Anfahrt ist für den Touri ein kleines Abenteuer, aber wer genau hinschaut, wie es die Anderen machen, kommt aber klar. Gemeint ist die Reise dorthin per “Streetcar”. Alte oder alt aussehende Straßenbahnen sind ein Markenzeichen des Nahverkehrs. Muss man gemacht haben. Allerdings muss man das Fahrgeld passend in eine Kasse werfen. Wer länger bzw. mehrmals an einem Tag fährt, kauft besser den Tagespass. Der kostet 3 Dollar. Die Einzelfahrt schlägt mit 1,25 Dollar zu Buche.
Doch zurück zur Abteilung “Schöner Wohnen”. In diesem Viertel siedelte sich der Reichtum an, vorwiegend weiß, vorwiegend bessere Herrschaften. Aber auch Künstler, Intellektuelle und in frühen Jahren das Militär. Auch die Bestsellerautorin Anne Rice hat hier gewohnt. Ihr Haus diente zum Vorbild der unterschiedlich erfolgreichen Romane. DieFilmszene mit Vamirgrab entstand ebenfalls dort. Mitten im Viertel gibt es einen historischen aber immer noch Verstorbene aufnehmenden Friedhof. Sehenswert: Der Vriedhof und die vielen Villen
Jetzt ist der Abend da und es gab tatächlich noch was zu essen. Po’boy heißt das Ganze. Etwas salopp, könnte man auch belegtes Brötchen sagen. Es sind aber auch sehr reizvolle Dinge zwischen den beiden Riesenbrötchen-Hälften: Shrimps, Salat, Tomaten, Mayo, Gurke, Jalapenos und dazu gibt’s natürlich Fritten. Hier standen keine Kalorien auf der Karte und das ist gut so.
Der Ausflug in die einheimischere Welt des Live-Jazz gilt es heute Abend zu entdecken. – Naja, nur Einheimische ist vermutlich geschmeichelt; schließlich müssen und wollen die ja auch mal was unternehmen. – Sagen wir einfach mal, hier, in der Frenchmen Street, geht es etwas seriöser zu als auf der Partymeile Bourbon Street. Wird bestimmt gut.
Morgen dann heißt es wieder Koffer packen, Mietwagen abholen und gen Jackson, Mississippi zu starten. Mehr dann morgen wieder, genau an dieser Stelle. – Täglich frisch!
22. Juni 2018 – Jazz: Cradle, Radio, Preservation, Party
Keine Frage, New Orleans steht für Jazz. Was es mit dieser musikalischen “Revolution” zu Beginn des letzten Jahrhunderts auf sich hatte, weiß in der Stadt am Mississippi vermutlich keiner besser als der Journalist John McCusker. Jedenfalls war er mit mir und einer Kleingruppe in “N’awlins” unterwegs, zeigte uns Wohn- und Geburtshäuser großer Stars des NewOrleans-Jazz und klärte über Missverständnisse auf. In “Storyville”, beispielsweise, habe keineswegs die Geburtsstunde des Jazz geschlagen. Naja, John wird, nach der Rückkehr, in den Podcasts einen gebührenden Platz bekommen.
Seine Hauptaufgabe sieht er im Übrigen in der Erhaltung alter, jazzhistorisch wichtiger, Bausubstanz. Zuviel sei schon abgerissen worden. Schließlich wolle die Stadt ja ihren Touristen auch ein Stück besondere Geschichte bieten. Dies genau zum 300. Geburtstag einer Stadt laut auszusprechen, ist nicht nur mutig, sondern auch wichtig. “Man muss den Menschen mehr bieten, als die Chance sich am Wochenende auf der Bourbon Street sinnlos zu betrinken”, so John McClusker. Recht hat er, denn die Dauerparty artet mitunter aus und morgens um 9 beginnt der Zirkus sanft wieder von vorn: Bloody Mary statt Kaffee, beispielsweise.
Der Partyzirkus zieht zudem auch Obdachlose an, die im Sommer wenigstens keine Angst haben müssen zu erfrieren. Morgens um 9 liegt sich’s auf dem Pflaster des French Quarter bei 25 Grad, hart aber warm. Ach ja, auffällig ist dass die um Geld bettelnden Obdachlosen meist einen Zettel dabei haben, auf dem steht, sie seien ehemalige Armysoldaten.
Ach ja, DAS Jazzradio der Stadt ist vor geraumer Zeit umgezogen; vom Louis Armstrong Park an den Fluss, fast direkt hinters “Café Du Monde”. Vor 18 Jahren landete ich dort mal “Live-On-Air” dank des Moderators Bob French. Der war eine New Orleans Musiklegende. Leider ist er vor ein paar Jahren gestorben. Aber wen treffe ich beim Besuch von “WWOC” am Mikrofon? Seinen Neffen Gerald French. Er konnte mir noch nicht beantworten, wessen Familienmitglied ich beim nächsten Mal am Mikro treffen werde.
Abendessen? Hatte letztlich “Red Beans and Rice” bei “Antoine’s” – Das Schild vom Morgen hat mich auch gereizt. Ich wusste nur nicht mehr so genau, wo das genau war, oder besser hab’s im Trubel nicht wiedergefunden.Vielleicht ja morgen Abend.
Letztlich dann noch eine touristische Pflichtstation, die sich ihren Charme aber bewahrt hat. Das liegt eventuell auch daran, dass die Fassade der “Preservation Hall” eigentlich immer noch genauso aussieht, wie vor 24 Jahren, als ich zum ersten Mal hier war.
Heutzutage gibt es aber mehr Konzerte. An Wochenende spielen die “Preservation Hall All Stars” im Stundentakt viermal pro Abend und die Menschen stehen trotzdem in langen Reihen an. Die 21 Uhr-Show durfte ich heute miterleben. Immer noch klasse, immer noch unerträglich schlechte Luft, großartige Musiker und auch ein tolles Publikum, das mitklatscht (IM Rhythmus) und mitsingt (RICHTIG). Es mag eine “Tourifalle” sein, sie ist trotzdem schön. Dass man als Radiomann keine Aufzeichnungen machen darf und die Musiker keine Zeit haben (Pause jeweils 10 Minuten) ist schade. Damit musste ich wohl oder übel leben. Hab dann ein Konzert auf CD gekauft.
Morgen gibts dann nochmal Jazz: Museum, Beerdigungen, die French Quarter Specialtipps und das nicht so partybelastete Viertel um die Frenchmanstreet. Guten Morgen Deutschland – Gute Nacht New Orleans!
21. Juni 2018 – 11 Stunden Flug und etwas NOLA-Musik
Ja wir waren etwas später dran, aber dafür lief es anschließend sehr reibungslos. Condor Flug 2066 flog mit etwa eineinhalb Stunden Verspätung ab und kam eine Stunde zu spät in New Orleans an. Ansonsten war das Flugerlebnis super. Ja, ich hab etwas Geld investiert und ein teureres Ticket gekauft. Lohnt sich aber. – Supernette FlugbegleiterInnen, gutes Essen, perfekter Service und mehr Platz: Was will man mehr. Ich kann es nur weiterempfehlen.
Die Stunde Verspätung musste jetzt wieder aufgeholt werden, aber auch das hat geklappt. Gepäck kam schnell. Die Einreiseformalitäten waren schnellstens erledigt (Schneller als New Orleans war in den letzten Jahren kein US-Airport) und so war ich bereits 75 Minuten nach der Landung im Hotel.
Es war nur Zeit für eine schnelle Dusche und dann wartete auch der erste Termin. Im “Jazz-Playhouse” im Hotel “Royal Sonesta” auf der Bourbon Street wartete “Brass-A-Holic” – Sehr feiner Jazz. In der Bourbon Street ist es abends voll, aber das reguliert sich nach einigen hundert Metern. Sehr genossen inklusive Getränk und um halb 11 ins Hotel zurück. Bin ja schon ne Weile auf, sagen wir 23 Stunden?
Deshalb Morgen mehr: New Orleans, Musik, Jazzradio und natürlich wieder ein Konzert. Diesmal klassisch in der “Preservation Hall”.
Gute Nacht aus New Orleans, wo immer Ihr auch lest und hört.
19. Juni 2018 – Die Vorfreude und Vorarbeit
Übermorgen geht es los. Zwei Wochen werde ich “ON THE ROAD” sein. Zwei Wochen, in denen ich mir die Musik der US-Südstaaten “erarbeiten” werde. Es ist ein ehrgeiziger Trip. In zwei Wochen will ich Musik inhalieren, mit Menschen sprechen, Orte und Städte erkunden, die in der “Musik des Südens” eine wichtige Rolle spielen. Der Roadtrip wird mich von New Orleans nach New Orleans führen.
An der Wiege des Jazz beginnt meine Reise und dort wird sie am 5. Juli auch wieder enden. Dazwischen liegen klingende Städtenamen wie Jackson, Mississippi, Memphis, Tennessee, Nashville, Tennessee, Muscle Shoals und Birmingham in Alabama, Tupelo und Clarksdale wieder in Mississippi. Es wird eine Reise werden, die an der Wiege des Jazz beginnt, mich in den Blues entführen, Soul und Rock’n-Roll näherbringen soll. Es wird eine Reise, die mir Studiotüren öffnet, Studiotüren in denen große Musik produziert wurde. Der Roadtrip beinhaltet aber auch den Besuch bei Radiostationen und großen Museen, die mit Musik zu tun haben.
Ich werde versuchen herauszufinden, was die einzelnen Musikstile ausmacht, was sie vereint oder auch trennt. Es wird eine Reise werden in die Geschichte der schwarzen Musik, die in ihrer Entwicklung auch immer mit der Frage der Bürgerrechte der schwarzen Bevölkerung verbunden war und ist. Es wird aber auch eine Reise in die Welt des universellsten Kommunikationsmittels werden: MUSIK! –
Ich werde versuchen täglich zu berichten, Bilder zu zeigen und auch einige Tonschnipsel einzufügen. Die ganz große Geschichte kommt erst nach dem Trip. Aber jetzt soll es erst einmal losgehen: Übermorgen mit Condor Flug DE2066 von Frankfurt nach New Orleans.
Hinweis:
Diese Reise und Recherche wird unterstützt von Condor, Alamo Rent-a-Car, sowie den Tourismusorganisationen von New Orleans, Mississippi, Tennessee und Alabama. Vor Ort unterstützen mich lokale Tourismusbüros, sowie einige Hotels. Dafür vielen Dank! – Dies hat aber keinen Einfluss auf eine unabhängige Berichterstattung.
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