DRR124 – 100 Jahre Bauhaus (1) – Dessau

Bauhaus in Dessau - Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

100 Jahre Bauhaus

Ein großes Jubiläum! – Wer genauer nachfragt, stößt schnell an Wissensgrenzen. Neben den zwei bis drei typischen Bildern und Objekten, neben den Ortsnamen Weimar und Dessau, neben Namen wie Gropius, van der Rohe, Kandinsky und Klee, hörte es schon bald auf mit der Weisheit. Deshalb folgen in den nächsten Wochen einige Bauhaus-Geschichten und welche, die damit zu tun haben.

Gebaut 1925/26: Das Dessauer Bauhausgebäude

Bauhaus – Die Herausforderung

Ein Freund sagte kürzlich: “Da hast Du Dir aber was vorgenommen. Ein akustischer Bericht über Dinge, die man eigentlich sehen muss, um sie zu begreifen.” – Dieses Handicaps bin ich mir bewusst. Trotzdem will ich’s versuchen. Zur Unterstützung bietet unser multimediales Magazin ergänzendes Fotomaterial zum Thema. Deshalb gibt es diesmal weniger Text (Podcasthören hilft da weiter!) und mehr Bildmaterial zur Unterstützung der akustischen Imagination.

Die Bauhaus-“Brücke”

Die Annäherung an die Moderne

Die Recherche ist natürlich nicht chronologisch korrekt, denn natürlich fing ich dort an, wo DAS Bauhaus steht, das weiße Gebäude mit den vielen Glasfronten. – Es steht in Dessau in Sachsen-Anhalt und ist gewissermaßen das ikonische Bauhaus-Bauwerk.

Wer zählen kann und weiß, dass eben dieses weiße Bauhausgebäude in Dessau 1925/26 gebaut wurde, gerät ins Schlingern angesichts der Marke 100 Jahre und des Jubiläumstrubels. Dessau war die zweite regionale Position des Bauhauses nach der Gründung in Weimar im Jahr 1919, vor 100 Jahren. Nachdem in Thüringen von rechts-konservativen Kreisen der Geldhahn zugedreht wurde, suchte Bauhausdirektor Walter Gropius einen neuen Standort. Die Wahl fiel auf Dessau, obwohl sich viele andere Städte, wie zum Beispiel Frankfurt am Main, ebenfalls beworben hatten. Die Gründe dafür habe ich mir, im Podcast, vor Ort von Dr. Florian Strob, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bauhausstiftung Dessau-Roßlau erklären lassen. – Letztlich lässt sich alles zusammenfassen mit einem unschlagbaren Angebot. Walter Gropius hatte schon hatte schon im “Bauhaus Manifest” von 1919 gefordert “die Welt neu zu denken”. Er forderte den Blick aufs “Gesamtkunstwerk” und die Zusammenführung von “Kunst und Handwerk”. Diese Maxime veränderte sich in Dessau, damals einer aufstrebenden Industriestadt, zur Zusammenführung von “Kunst und Technik”. – Ausschlaggebend war das Angebot, ein Hochschulgebäude zu bauen und mit vielen Bauaufträgen das zu realisieren, was die Maxime des Bauhauses war: Viel bauen, in Serie bauen, kostengünstig bauen.

In Dessau entstand auf dieser Basis eine Vielzahl von Gebäuden. Die Stadt brauchte Wohnraum: Schnell und günstig. So machten sich Gropius und seine Mitstreiter an die Arbeit. Das Schöne dabei: Dessau bietet den Besuchern heute, die wohl größte Zahl an Bauhaus-Gebäuden überhaupt. Wer Bauhaus inhalieren will, ist hier goldrichtig.

Bauhaus Dessau: Verbindung von Innenraum und Außenraum

Form folgt Funktion: Das Bauhaus-Gebäude

Es folgt der Philosophie einer neuen Hochschule, eines neuen Denkens. Hier setzte Walter Gropius seine Maxime “Form folgt Funktion” in der Ausbildung um. Er baute anders, er stellte die Anforderungen der Ausbildung in den Mittelpunkt und verband sie funktionell in diesem Gebäude. Zum ersten Mal wurde die aus den USA importierte Idee eines Universitäts-Campus realisiert: Lernen, Arbeiten, Leben und Feiern in einem Gebäudekomplex. Innovationen, die heute normal erscheinen, wurden zum ersten Mal realisiert: Bauen mit Stahlbeton, große Glasfronten, die die Forderung der Verbindung von Innenraum und Außenraum realisierten. Ein modernes Farbleitsystem geht durch das Bauhaus.

Das Ateliergebäude: Wohnen und Arbeiten

Wohnen und Arbeiten: Das Ateliergebäude
Atelierzimmer: Licht ins unerlässlich
Atelierzimmer: Wohnen und Arbeiten
Ateliergebäude: Zu jedem Zimmer ein Balkon

Farbleitsystem im ganzen Haus

 

Heute normal – 1926 revolutionär: Farbleitsysteme im ganzen Haus

Design

Das Bauhaus-Design ist weltberühmt geworden durch seinen Minimalismus. Das Stahlrohr stand bei vielen Möbelstücken im Vordergrund. Auch hier folgt man derselben Maxime, die auch für das Bauen gilt. Die Verwendung dieses Materials kam nicht von ungefähr und beruhte auch Recherchen in den Dessauer Industriebetrieben. Kunsthistorikerin Anke John, die mich als Fachfrau während meines gesamten Dessau-Aufenthalts begleitete (DANKE-DANKE-DANKE!), machte mir das Prinzip am Beispiel des “B9”-Hockers deutlich. Ein einziger 90 Grad gebogener Edelstahlwinkel ist das Grundmaterial des kompletten Möbeldesigns. (im Podcast nachhören!).

Ein 90 Grad-Stahlrohrwinkel als Basis des Möbeldesigns: Kunsthistorikerin Anke John erklärt es einleuchtend.

Der 90 Grad Stahlrohrwinkel ist die Basis vieler Möbelstücke. Je nachdem, wie man die Winkel zusammenlötet, entstehen wahlweise, Hocker, Stühle, Betten, Regale oder Schränke. Die Absicht dabei war: Rationelle und kostengünstige, industrielle Produktion.

Designikone “Freischwinger”

Die heutigen Preise der Bauhaus-Designmöbel beruhen wohl eher auf dem Marktwert einer Stilikone. Nur das erklärt, warum ein “Freischwinger” heute mit einem vierstelligen Verkaufspreis ausgezeichnet ist. Das Ziel der Designer war ein anderes. Es gäbe noch viel zu berichten, von der Aula zum Beispiel, deren Sitzreihen nur mit Stoff bespannt wurden, von der Aulabühne, die nach zwei Seiten zu öffnen ist, wahlweise zum Publikum oder auch zur Rückseite in Richtung Mensa und auch vom gescheiterten Experiment mit einem Steinholz-Estrich, der Schall schlucken sollte. Funktioniert hat das leider nicht.

Bauhaustouren

Im Rahmen einer einstündigen Führung kann man natürlich auch die historischen Räume des Bauhausgebäudes, die Aula, das ehemalige Direktorenzimmer und ein historisches Studentenzimmer entdecken. Sie beginnen um 11 und 17 Uhr, am Wochenende zusätzlich um 12 und 16 Uhr. Die Karten dafür kosten 8 Euro 50. Empfehlenswert ist sicher das Gesamtticket, das zusätzlich die benachbarten Meisterhäuser und das Konsumgebäude in der Wohnsiedlung Törten einschließt. Das gilt drei Tage lang und schlägt mit 15 Euro zu Buche.

Verlassen wir also das Bauhaus, nicht ohne die imposante Fassade des Ateliergebäudes mit den vielen Ein-Personen-Balkonen zu fotografieren und nicht ohne Mittagspause im Bauhaus-Café. Kulinarischer Tipp: Die Pasta nach dem Rezept von Paul Klee, der begeisterter Hobbykoch war. Die gibt’s bestimmt noch das ganze Jahr über.

Pasta a la Paul Klee im Bauhaus-Café

Die Meisterhäuser

Die sogenannten Meisterhäuser sind nur ein paar hundert Meter entfernt. Sie wurden ebenfalls von Walter Gropius geplant und zeitgleich mit der Eröffnung des Bauhaus-Gebäudes im Dezember 1926 fertiggestellt. Bei seiner Villa und den drei Doppelhäusern für seine Meister kam zum ersten Mal das Baukastensystem zum Einsatz. Was das bedeutet, das ist im Podcast nachzuhören.

Auch diese Häuser sind weiß, “Weiße Moderne”. – Insbesondere den einziehenden Malern von Oscar Schlemmer bis Paul Klee war dies ein Dorn im Auge. Da setzte sich allerdings Gropius, mit seiner Theorie der Verbindung von Außenraum und Innenraum durch. Stattdessen lebten sich die Künstlerkollegen im Innern aus. Eklantantestes Beispiel war das Esszimmer von Wassilij Kandinsky, der sich – so wurde es mir erzählt, mit einer ganz besonderen Farbe ausgelebt hat.

Meisterhäuser: Die erst 2014 wieder erstellte Direktorenvilla in “unscharfer” Architektur
Meisterhäuser:  Zwei gespiegelte Doppelhäuser

Das Direktorenhaus und ein halbes Doppelhaus wurden im 2. Weltkrieg zerbombt und das Ensemble erst im Jahr 2014 wieder hergestellt. Das geschah mit der sogenannten unscharfen Architektur. Man hat also nicht rekonstruiert, sondern nur die Außenhülle gebaut, die Fenster bewusst mit nicht durchsichtigem Material versehen. Die Gropius Villa wird heute als Ausstellungsraum genutzt. Die anderen Häuser sind in den letzten beiden Jahren renoviert worden und glänzen wieder in voller Pracht.

Die Wohnsiedlung Dessau-Törten

Es ist das soziale Engagement a la Bauhaus und die Einlösung des Versprechens an die Stadt Dessau, südlich der Innenstadt in Törten eine komplette Arbeitersiedlung zu bauen. Hier ließ sich zum ersten Mal, Baukastensystem und serielles Bauen gemeinsam testen. Die Siedlung mit 314 Häusern mit Größen von 57 bis 75 Quadratmetern, ist auch heute noch durchgehend bewohnt. Bauprinzip und Haustypen sind natürlich Thema im Podcast, genauso wie die Innovation der Laubenganghäuser und des Versorgungszentrums.

Haus Anton: Das einzige noch im Urzustand erhaltene Hausin Törten
Innovation Laubenganghaus
Versorgungseinheit: Konsumgebäude mit Wohnturm

…und abends ins “Kornhaus”

Ein letztes eindrückliches Gebäude steht direkt am Elbdeich und wurde vom Bauhausarchitekten  1929 errichtet. Das “Kornhaus” war als Ausflugslokal geplant und gebaut worden. Ausflugslokal ist es nach mehreren Renovierungen immer noch. Mit der letzten Restaurierung hat man sich dem Bauhausstil wieder authentisch genähert. – Empfehlenswert für den Dessauer Sommer, nach langen Bauhaus-Spaziergängen wartet hier ein kühles Getränke und eine empfehlenswerte Küche. Der Blick auf die Elbe ist inklusive.

1929 erbaut: Das “Kornhaus”
Kornhaus: Parallel zum Deich wirkt es wie ein gstrandetes Schiff
Aussicht auf die Elbe und Verbindung von Innen- und Außenraum

Das Ende des Bauhauses

Am 30. September 1932 beschloss die Dessauer Stadtversammlung mit der Mehrheit der NSDAP, die Schließung der „Hochschule für Gestaltung in Dessau“. Ludwig Mies van der Rohe führte als dritter und letzter Direktor das Bauhaus noch für ein weiteres Semester in Berlin-Steglitz weiter, bevor er, nach immer größer werdenden Anfeindungen der Nazis, am 10. August 1933 in einem Rundschreiben die Auflösung des Bauhauses bekannt gab. Das war das offizielle Ende des Bauhauses. Die Idee aber lebte weiter. Im Ausland und das für die meisten Aktiven sehr unfreiwillig.

Mehr…

…Inhalt ist im Reiseradio-Podcast zu hören. Die Geschichte wird weitergehen, denn es gibt noch Einiges zu berichten. Wichtig für Bauhausfans: Eine große Attraktion von Stadt und Bauhaus wartet zur Zeit noch auf ihre endgültige Fertigstellung. Das „Bauhausmuseum Dessau“ am Stadtpark wird es endlich ermöglichen viele Dinge zu zeigen, die bisher noch nicht ausgestellt werden konnten. Die Eröffnung ist für den 09. Septembergeplant.

Baustelle kurz vor Vollendung: Das Bauhausmuseum-Dessau soll am 09. September eröffnet werden.

Dessau…

ist ebenfalls noch nicht erschöpfend vorgestellt. Es warten noch ein Ausflug ins Gartenreich Dessau-Wörlitz inklusive der großen, zum Teil adligen, Stadtgeschichte Dessaus. – Flugzeugfreaks dürfen sich ebenfalls freuen. Der, auch im Zusammenhang mit dem Bauhaus, sehr rührige Professor Hugo Junkers hat in Dessau gelebt und gearbeitet. Wer schon immer mal eine JU52 ganz aus der Nähe sehen und sich immer schon mal reinsetzen wollte, im Technikmuseum Junkers kann dieser Wunsch erfüllt werden. Auch dieses Erlebnis spricht eindeutig für einen Besuch in Dessau.

Information:

Dessau-Tourismus

Bauhaus Dessau

Hinweis:

Die Recherche zu diesem Reiseradio-Podcast wurde unterstützt vom Stadtmarketing Dessau-Roßlau. Diese Unterstützung hat keinen Einfluss auf eine unabhängige Berichterstattung.

 

 

Dessau: Elbufer

 

 

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