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Waren die ersten Tage meiner Reise, verbunden mit dem Kennenlernen des Jazz in New Orleans, vergleichbar mit einem Städtetrip, geht es jetzt richtig los. 3.000 Kilometer stehen auf dem Programm und das Eintauchen in Musik und Landschaft.
Gute Vorbereitung ist Alles
So ein Erlebnis will gut vorbereitet sein. Geholfen haben mir, neben gründlicher Vorrecherche, die Fachleute der Tourismusorganisationen in den US-Südstaaten, vorort und natürlich auch hier in Deutschland. Mein besonderer Dank geht an Janin Nachtweh und Wolfgang Streitbörger, die für den Tourismus in Mississippi, Tennessee und Alabama in Deutschland arbeiten. Die Strecke sollte genau geplant werden. Zur Vorbereitung gehört auch die Kalkulation der Fahrzeiten, denn das, was beim Aufschlagen von Landkarten oder “Google Maps” ganz easy erscheint, wird schnell zur Herausforderung. Die Wege sind weit, die Fahrzeiten länger als bei uns. Im Sommer ist zudem mit großer Hitze und Feuchtigkeit zu rechnen: 35-40 Grad, bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit sind durchaus normal.
Wer tief in die Geschichte der schwarzen Musik eintauchen möchte, dem empfehle ich zudem noch das Buch von Nelson George: “R&B – Die Geschichte der schwarzen Musik”, erschienen bei Orange-Press zum Preis von 15 Euro.
Rumkommen mit dem Auto
Ein zuverlässiger Mietwagen ist von Vorteil. Ich habe meinen Wagen bei Alamo gemietet. Die Mietstation befindet sich am Internationalen Flughafen von New Orleans. Das ist zwar umständlich, wird aber mit einem großen Vorteil belohnt. Alamo bietet nämlich die freie Auswahl an, unter allen in der Garage stehenden Fahrzeugen der gebuchten Kategorie. Man hat also die wundervolle Qual der Wahl, für welches Fahrzeug man sich konkret entscheidet. Das liefert einen zusätzlichen Wohlfühlfaktor in Sachen Platz, Ausstattung, Kofferraum und wenn’s sein soll sogar Farbe. Mein Kompakt-SUV hat mich jedenfalls zwei Wochen wunderbar begleitet. Er war recht neu, geräumig, sparsam im Verbrauch und vor allem zuverlässig von der ersten bis zur letzten Sekunde. Buchen sollte man bereits in Deutschland, das ist meist günstiger, da hier Komplettpakete in Sachen Versicherung und Tankfüllung zur Verfügung stehen. Das Navi kostet extra, wie sich bald herausgestellt hat, ist das aber eine hervorragende Investition.
Der Start nach Mississippi und in die Geschichte des Blues
Es ist Sonntagmorgen 9 Uhr und der Check-In-Schalter bei der Autovermietung ist leer. So stehe ich dann in Windeseile am Auto und fahre bereits eine Viertelstunde später in Richtung Autobahn. – Die Interstate 10 führt am Lake Pontchartrain entlang in Richtung Baton Rouge, dann folgt der Abzweig in Richtung Norden zur I-55. Man bewegt sich die ersten Meilen dicht am Wasser entlang. Klima und sumpfige Landschaft nötigen einem die Klimaanlage regelrecht auf. Draußen ist es schwül-heiß. Ich stelle mir vor, wie es wäre, bei diesem Wetter auf Baumwollfeldern zu arbeiten. Kriegt man dann den Blues, das Gefühl, das die Musik mit begründet hat? Da fahre ich privilegiert und klimatisiert in Richtung Mississippi, habe noch kein Baumwollfeld gesehen und trotzdem holt mich die Schwere der Musik ein.
Irgendwann folgt die Staatsgrenze zu Mississippi. – Im “Welcome Center” an der I-55 gibt es Toiletten, Landkarten, Touritipps, Getränkeautomaten und bis 12 Uhr warmen Kaffee, gratis. Normalerweise würde ich hier eine Rast einlegen, denn die Straße geht immer geradeaus über Hügel hinweg und ist ermüdend. Links und Rechts der Interstate stehen Bäume, der Blick ist also eingeschränkt und die Trucker fahren mit einem Affenzahn an mir vorbei, weil ich mich annähernd an die Geschwindigkeitsbegrenzung halte. Jackson, Mississippis Hauptstadt, wartet und dort ein Museum, das entscheidend ist für die Begegnung mit der Musik.
Civil Rights Museum
Das Museum erzählt von den Zeiten der Unterdrückung, den Lynchmorden an Schwarzen, den gruseligen Auftritten des rassistischen Ku-Klux-Klan und natürlich der Bürgerrechtsbewegung, die gegen die Rassentrennung und die sozialen Unterschiede gekämpft hat und letztlich auch heute immer noch kämpft. Das bildet die Wissensgrundlage und den Hintergrund zur schwarzen Musik, dem Blues und Allem, was daraus wurde.
Es ist ein tiefer Schock, der einen beim Gang durch das Museum einholt. Das Haus ist noch sehr neu. Es wurde erst am 9. Dezember 2017, gegen manch Widerstand, eröffnet. Die Einweihung war am Vortag der großen Festlichkeiten zum 200. Geburtstag des Staates Mississippi. Hochmoderne audiovisuelle Technik bringt einem die Geschichte der “Segregation”, der Rassentrennung, näher. Interaktive Elemente und moderne Museumspädagogik machen die Schockerlebnisse noch eindrücklicher. Stephanie Morissey, die stellvertretende Direktorin und zuständig für die Medienarbeit, geht mit mir durch die Ausstellung. – Was man dort sieht und dokumentiert bekommt erscheint unfassbar: Menschenrechtsverletzungen, Verweigerung des Bildungssystems, Lynchmorde, Ausspionieren von Menschen, die im Verdacht standen, die Ideen der Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen. Es ist die Dokumentation eines Kampfes um Gleichberechtigung in einem Land, das sich in der Vorreiterrolle für Freiheit, Gleichheit und Unabhängigkeit sah und sieht. Es ist die Dokumentation von Verletzungen, die laut Verfassung nicht sein durften, aber trotzdem geschahen und es ist die Dokumentation des Kampfes von unterprilegierten Menschen um ihr verbrieftes Bürgerrecht, das man ihnen nicht zugestehen wollte. Einige Beispiele sind, natürlich, im Podcast zu hören.
Im Zentrum der Anlage befinden sich Sitzgruppen, eine Lichtskulptur mit zusätzlichen Toneinspielungen. Hat man zuerst den Eindruck, hier geht es um lockere Entspannung, so entwickelt sich nach der Hälfte des Gesehenen das Gefühl ein paar Minuten durchatmen zu müssen. Ich war dankbar für diesen Break.
Bürgerrechtsbewegung und Musik
Diese beiden Dinge gehören zusammen, erklärt mir, nach dem Rundgang, die Museumsdirektorin Pamela D.C. Junior und nennt mir Beispiele. Die Musik sorgte für Aufmerksamkeit. Sie sorgte dafür, dass der “Rest” der Nation erfuhr, welche schrecklichen Dinge geschahen. Sie beschrieb mir die Musik als Überlebensmittel für schwarze Landarbeiter:
„Wir denken an Blues, an Sklaverei, wie die Musik in den Baumwollfeldern entstand. Wir erinnern an Schmerz und Verletzung, die an der Tagesordnung war. Die Menschen haben gesungen, um weiter arbeiten zu können. Es sind Lieder aus dem Herzen und genau diese Songs waren wichtig in der Bürgerrechtsbewegung.”
Von Pamela erfahre ich auch, dass die afrikanische Musik, die Vorläufer des Blues war, ein Weg der Kommunikation war. Sie bezieht sich dabei auf Harriet Taubman, eine schwarze Frau, die als geflüchtete Sklavin, im 19. Jahrhundert, die Flucht weiterer Sklaven aus den Südstaaten in den sichereren Norden organisierte. “Underground Railroad” nannte sich diese Aktion. Sie und ihre Mitstreiter organisierten die Flucht, versteckten Menschen und versorgtensie auf dem Weg. Um nicht aufzufallen, gab es Kommunikationscodes und die bestanden immer aus Gesang und Musik.
Musik, als Mittel der Kommunikation, war auch in der Bürgerrechtsbewegung unabdingbar. Musik wurde überall gehört. Schwarze Künstler spendeten Geld oder organisierten Benefiz-Konzerte für die Bewegung. Sie wurden unterstützt von weißen Künstlern. Pete Seeger und Joan Baez waren wohl die Bekanntesten. Sie gaben nicht nur Konzerte, sammelten Spenden, sie waren auch ganz persönlich in der Bewegung aktiv und unterstützten die Menschen vor Ort, zum Beispiel in den “Freedom Schools”.
“Bedenke bitte”, sagt mir Pamela noch, “die Hauptzeit des Kampfs um Gleichberechtigung fand in den Jahren 1950 bis 1970 statt. Das, was im Musuem an Grausamkeiten dokumentiert wird, ist teilweise noch keine 50 Jahre her. Die Musik, der Blues, machte nicht nur aufmerksam, sondern vereinte die Menschen. Behalte das im Hinterkopf während Deiner Reise.”
Tief berührt verlasse ich das Museum. Irgendwie komme ich mir schäbig vor, als Mensch mit weißer Hautfarbe. Das ist Quatsch, natürlich, aber so hat es sich bei mir ausgewirkt. Jedenfalls werde ich das Thema Rassismus und Menschenrechte auf der Fortsetzung meiner Reise nicht mehr aus dem Kopf bekommen.
Der Blues hat viel losgetreten und jetzt möchte ich mehr erfahren. Bei Fachleuten. Und die finde ich in Jackson und im Mississippi-Delta.
Die Reise geht weiter. Zu Malaco Records, ins Grammy Museum von Cleveland und zur Urenkelin von Muddy Waters. Nach Indianola zum Grab von B.B.King und in sein Museum. Und an einen Ort, der sagt, hier sei der Blues geboren: Clarksdale, mitten im Delta. Es folgt Music-Roadtrip Teil 4, in einigen Tagen.
Information / Links:
Mississippi Civil Rights Museum
Hinweis:
Diese Reise und Recherche wurde unterstützt von Alamo Rent-a-Car, sowie den Tourismusorganisationen von Mississippi, Tennessee und Alabama. Vor Ort unterstützten mich lokale Tourismusbüros, sowie einige Hotels.
Dies hat keinen Einfluss auf eine unabhängige Berichterstattung!
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