D-RR News 24.11.21 – Zwischen Angst und Ignoranz

Symbolbild - Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

„Vorwärts und schnell vergessen…“

Rüdiger Edelmann

Zusehends stellt sich das Gefühl on Schizophrenie ein, in diesen wenig komischen Zeiten.

Zum einen werden da inzwischen auf Twitter die Seelsorge- und Psychotherapie-Notfallnummern aufgelistet und die Sorgen werden geteilt. Wartezeit: Ein Jahr auf einen Therapieplatz. Es ist November, wir befinden uns mitten in der vierten deutschen Corona-Welle. Vor hektisch wieder aufgebauten Impfstellen bilden sich lange Warteschlangen: Boostern, aber auch Erst- und Zweitimpfungen sind plötzlich gefragt. Vor Wochen noch waren die Zentren geschlossen oder der Zuspruch war eher mau. Ich versteh es nicht, warum die Menschen diese Chance nicht vorher, sprich rechtzeitig genutzt haben. Muss die Krise erst wieder eskalieren? Oder ist es jetzt „nur“ die Angst vor den Lebenseinschränkungen? – Die Angst vor Covid-19 kann es ja eigentlich nicht gewesen sein. Nun gut, dann „ab inne Warteschlange“. Selbst verschuldet.

Zum anderen begegnet einem ein fast schon wahnwitziger (Zweck-)Optimismus. Zu Pressekonferenzen des Reisemultis TUI werde ich seit Jahren schon nicht mehr eingeladen, aber was mir im Anschluss an die PK vom Dienstag als schriftliche Info ins Haus geschickt wird, lässt mich etwas ratlos zurück: Pandemie hin – Pandemie her, der Kunde will verreisen und wir haben das flächendeckende Angebot. Wirtschaftlich große Freude, dass das Erholungsgeld lockerer sitzt und höherwertig gebucht wird. Wie sagte TUI-Chef Stefan Baumert: „Wir sind optimistisch, dass sich der Tourismus im nächsten Jahr nahezu auf das Niveau von 2019 einpendeln kann. Wir werden einen Reisesommer erleben, in dem Normalität einkehrt“.  Die Ziele? – Ach, eigentlich so, als wäre nix gewesen.

Hatten wir nicht alle zu Beginn der Pandemie Einsicht geschworen? Einsicht in die Tatsache, dass man danach nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne? – Na ja, das war ja auch bevor der Wirtschaftspfeil jetzt wieder nach oben zu zeigen scheint.


Die Zahlen des Tages:

404,5

(7 Tage Inzidenz pro 100.000 Einwohner)

66.884

(Neuinfektionen innerhalb der letzten 24 Stunden)

335

(Todesfälle innerhalb der letzten 24 Stunden)


Madeira – wenig entspannt

Madeira:  Angst vor Neuinfektionen – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Auf der portugiesischen Blumeninsel im Atlantik wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Die Inzidenzzahlen liegen derzeit zwar „nur“ bei 150. Allerdings geht die Angst um, dass Touristen aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Großbritannien, in den nächsten Wochen wieder für einen steilen Anstieg sorgen könnten.

Deshalb gelten jetzt 2G-Regeln auf der Insel und zwar für Hotels und die Gastronomie, sowie für Museen und andere kulturelle Einrichtungen. Ab Samstag heißt es sogar 2+; dann wird ein zusätzlicher negativer Antigentest verlangt. Schon länger gilt auf Madeira und den Azoren im öffentlichen Raum wieder Maskenpflicht. Zum Inselhopping nach Porto Santo muss zudem bei Anreise ein gültiger negativer Antigentest vorgelegt werden. Zudem sollen die Kontrollen des digitalen Covid19-Impfnachweises verstärkt werden.

Spanien und Portugal haben Angst

Costa del Sol nahe Cádiz – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Derzeit gehören die beiden Länder zu den entspannten „Corona-Regionen“ in Deutschland. Ähnlich wie auf Madeira, machten sich aber auch spanische Behörden und Politiker darüber Gedanken, wie man einen erneuten Anstieg der Infektionen verhindern könne. Man setze weiter auf „Impfung & Maske“ betont die spanische Regierungssprecherin Isabel Rodríguez. Durchgesickert war, die Regierungsüberlegung die Gastronomie demnächst wieder um 23 Uhr schließen zu wollen.

Die Inzidenzzahlen liegen in Portugal bei 159. Spanien meldet eine Inzidenz von 90,4. Gleichwohl hat man Angst, dass durch die eskalierende Lage in weiten Teilen Europas, auch im Süden eine weitere Infektionswelle ausgelöst werden könnte. Mitte Oktober lag der Wert in Spanien noch bei 18.

Bulgarien mit PCR-Testpflicht

Foto: Bulgaria-Tourismus

Um bei der Einreise eine Quarantäne zu vermeiden, muss seit gestern ein negativer PCR-Test vorgelegt werden. Dies gilt auch für geimpfte oder genesene Personen. In den Reisehinweisen des Auswärtigen Amts heißt es:

Mit Wirkung vom 23. November 2021 ist eine Einreise aus Deutschland ohne zusätzliche Quarantäneverpflichtung nur dann möglich, wenn neben einem Impfzertifikat, Genesenennachweis oder negativen Antigentest (nicht älter als 48 Stunden) zusätzlich auch ein negativer PCR-Test (nicht älter als 72 Stunden) vorgelegt wird. Kinder unter 12 Jahren benötigen keinen Test bzw. Nachweis. Personen mit gültigem bulgarischen Aufenthaltstitel und ihre Familienangehörigen sowie bulgarische Staatsangehörige, die keinen Test vorweisen können oder aus bestimmten Drittländern einreisen, müssen eine verpflichtende zehntägige Quarantäne einhalten.

Kenia verlangt 2G

Ab 21. Dezember müssen Besucher des Landes bei der Einreise eine vollständige Covid19-Impfung vorlegen. Auch im öffentlichen Leben wird dann für den Besuch von Restaurants und Nationalparks eine Impfnachweis verlangt. Hotels dürfen nur vollständig geimpfte Personen aufnehmen. Über Ausnahmen, zum Beispiel für noch nicht geimpfte Kinder, gibt es noch keine verbindliche Auskunft.

3G in Bahn und Bus

Foto: Volker Emersleben / Deutsche Bahn

Dies gilt seit heute für den Nah- und Fernverkehr sowie in regionalen Bussen, S-Bahnen und Straßenbahnen. Kontrolliert werden soll in Form von Stichproben durch das Sicherheitspersonal. Bei der Deutsche Bahn sollen diese Kontrollen von Zugpersonal oder Mitarbeitern der „DB-Security“ durchgeführt werden.

Flixmobility hat für seine Bahn- und Fernbusverbindungen ebenfalls Stichproben-Kontrollen angekündigt. Insbesondere in städtischen Nahverkehrsverbindungen steht das Personal vor hohen Herausforderungen.

Foto: Flixbus

Plantours nur noch mit 2G

Plantours Kreuzfahrten setzt für die ab Dezember startenden Advent- und Silvesterreisen sowie für die gesamte Flusssaison 2022 auf eine 2G-Regelung. Bisher war der Nachweis nur bei Hochseereisen Pflicht. Jetzt wird sie auch für sämtliche Flussschiffe des Veranstalters gelten. Passagiere und Besatzungsmitglieder müssen den Nachweis über eine Impfung oder Genesung erbringen. An Bord gelten weiterhin die bereits erprobten Hygienekonzepte.

Plantours-Flusskreuzfahrtschiff “Lady Diletta” – Foto: Plantours Kreuzfahrten

Diese neue Regelung stößt, wie der Veranstalter mitteilt, bei Gästen und Kunden auf durchweg positive Resonanz. Reisen unter den gegebenen Bedingungen für Silvester seien zum Beispiel ausgebucht. Lediglich bei sechs Terminen für Adventreisen seien vereinzelt noch Kabinen frei.

Klimakrise und Tourismus

Mehr Stürme, mehr Fluten = Klimawandel – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Das Tourismusportal „Reise vor 9“ hat die Ergebnisse einer Umfrage bei Veranstaltern und Reisebüros durchgeführt. Daraus geht hervor, dass Veranstalter die Entwicklung wesentlich positiver beurteilen als ihre Kolleginnen und Kollegen in den Reisebüros: 46% gegen nur 15%. Geprägt sind die Zahlen vom Optimismus auf Veranstalterseite, es werde sich nur wenig ändern. Steigende Preise sehen die Befragten als größten Risikofaktor.

Der Schrei nach Spezialistenwissen werde wachsen, heißt es zudem. Allerdings gibt es in der Branche offensichtlich auch reichlich Skeptiker der Klimadaten. Sie meinen, man könne Kunden problemlos klarmachen, dass es bei weitem nicht so schlimm sei, wie behauptet.

Widerspruch dazu gab es auch auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft im Europa-Park in Rust. DGT-Präsident Jürgen Schmude sagte dort:

Nach der Pandemie brauchen touristische Leistungsträger neue Geschäftsmodelle, ein Zurück zum Business as usual wird nicht reichen.  

Er forderte Umdenken und Neudenken von der Branche. Die Beziehung zwischen Tourismus und Klima, Natur und Wirtschaft müsse auf den Prüfstand.

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