D-RR News 05.03.21 – Fassungslosigkeit / Zukunft? / Lust und Frust / Anders Reisen / Airlines

Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Rüdiger Edelmann

Viel Action wenig Fortschritt, so lässt sich das Ergebnis der Ministerpräsidentenkonferenz von Berlin zusammenfassen. Zumindest die Tourismusbranche fühlt sich zusehends „verarscht“. Und selbst politische Kommentatoren, die weit von der Reisewelt entfernt sind, reden zusehends vom Generalversagen in Sachen Pandemie. Es fällt schwer sich vorzustellen, dass wieder einmal versprochen wird und im gleichen Atemzug die Formulierung fällt, dass man dies jetzt mal planen müsse und dafür noch mehr Zeit brauche.

Dann ist da der Knatsch um die Ignoranz der LUCA-App, entwickelt von „Fanta 4’s“ Smudo oder auch der schleswig-holsteinische Forscher Winfried Stöcker (siehe Spiegel-Bericht), der mit seinem Antigen-Impfstoff, heimlich und im Stillen im letzten Jahr gegen Mauern gelaufen ist.

Und nicht nur Wirtschaftsfachleute und Reiseindustrie fragen sich inzwischen, ob das Pandemiemanagement nicht etwas außer Kontrolle geraten ist. Wenn dann, neben dem Bundesgesundheitsminister, ausgerechnet Verkehrsminister Andreas Scheuer die lange überfällige Teststrategie entwickeln soll, fragt sich auch der bisher toleranteste Mensch, welche seltsamen Entscheidungen in Berlin getroffen werden. Beim “Andi”, befürchte ich, wird’s länger dauern als Ende März und wie das mit der erfolgreichen Umsetzung steht, wissen spätestens seit der Aktion „Autobahn-Maut“.  

 Das sind die Reiseradio-NEWS zum Tage:

Tourismusbranche enttäuscht und sauer

Verbände und Unternehmen stößt zusehends die Ignoranz auf, die sie zu spüren bekommt. Strategie: Fehlanzeige, das ist der Eindruck, den unterschiedlichste Stellungnahmen aufgreifen und beklagen.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) spricht von Enttäuschung und Fassungslosigkeit, angesichts der Ignoranz gegenüber einer Wirtschaftsbranche mit drei Millionen Beschäftigten in Deutschland. Auch der Tourismus müsse Teil der Öffnungsdebatte sein bzw. werden, sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig. Die Versprechungen des Wirtschaftsgipfels seien nicht eingelöst worden. Eine verlässliche Wirtschaftspolitik sähe anders aus.

Reinhard Meyer, Präsident des Deutschen Tourismusverbands (DTV) erklärte gestern:

Die Ergebnisse sind für den Deutschlandtourismus sehr enttäuschend und nicht akzeptabel. Enttäuschend, weil durchdachte und ausgewogene Vorschläge seit langem auf dem Tisch liegen. Nicht akzeptabel, weil Öffnungsstrategien für den Tourismus entgegen allen Ankündigungen erneut verschoben wurden. Uns geht es gar nicht um eine sofortige Öffnung des Tourismus. Auch in der Branche herrscht Einsicht, dass eine Öffnung verantwortbar sein muss. Wenn aber statt einer Öffnungsstrategie wieder einmal nur eine Vertagung des Deutschlandtourismus auf der Tagesordnung steht, lässt das eine ganze Branche ratlos zurück. Der Tourismus braucht Planbarkeit und eine Perspektive. Die Unternehmen im Deutschlandtourismus stehen mit dem Rücken zur Wand. Es reicht nicht, alles auf den 22. März zu vertagen. Wir brauchen unverzüglich konkrete Vorschläge, unter welchen Bedingungen eine Öffnung für touristische Betriebe erfolgen kann. Einem ganzen Wirtschaftszweig droht die Luft auszugehen. Der Tourismus braucht die Strategie jetzt.

Die Branche brauche unverzügliche und konkrete Vorschläge unter welchen Bedingungen eine Öffnung touristischer Betriebe möglich sei. Dabei ginge es ihm nicht um eine unüberlegte Öffnung. Eine Strategie dürfe die Tourismusbranche aber mindestens erwarten.

Reinhard Meyer, DTV-Präsident – Foto: dtv/Benjamin Maltry

Auch Hotel- und Gastronomie stehen vor weiteren Rätseln und haben die Entscheidungen enttäuscht zur Kenntnis nehmen müssen. Der Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) beklagt ebenfalls die komplette Ignoranz und eine wirkliche Strategie.

Zwischenbilanz düster

Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbands – Foto: DRV

Nach dem historischen Einbruch des letzten Jahres beginnen Reiseveranstalter und Reisebüros bereits mit der wirtschaftlichen Abschreibung des Jahres 2021. Die Perspektiven sind düster. Norbert Fiebig, Präsident des Reiseverbandes (DRV) sagt:

Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn wir für den Markt der Reisebüros und Reiseveranstalter rund 50 Prozent des Umsatzvolumens von 2019 erreichen würden.

Ob dies für viele betroffene Wirtschaftsbetriebe reicht um zu überleben, darf angesichts der derzeitigen Konzeptlosigkeit bezweifelt werden. – Eine weitere Großdemonstration der Reisebranche in Berlin ist für Montag den 22. März geplant.

Reiselust bleibt

Deutschlandurlaub gefragt, aber auch Flugreisen

Die Sehnsucht nach Urlaub ist international groß. Das zeigt eine Umfrage der ITB Berlin Now und dem Marktforschungsinstitut Statista in Deutschland, den USA und China. Etwa 70 Prozent der befragten beschäftigen sich damit, dieses Jahr privat zu verreisen. Das Reiseverhalten wird sich dabei nicht so deutlich verändern wie häufig prognostiziert. In den nächsten drei bis fünf Jahren, kalkuliert eine Umfrage des ADAC würden deutsche Ziele gewinnen, die Lust auf Flugreisen sei aber ähnlich hoch.

Reiseveränderungen

Seychellen

Seychellen – Foto: Gerard Larose / STB

Vom 25. März an könnten Touristen unabhängig von ihrem Impfstatus einreisen und müssten anschließend keine Quarantäne absolvieren, kündigt das Verkehrsamt des Landes an. Es genügt dann, einen negativen PCR-Test vorzulegen, der maximal 72 Stunden vor Abflug durchgeführt wurde. Der Tourismus-Minister begründete die Entscheidung, die Einreisebeschränkungen im Land zu lockern, mit der fortschreitenden Impfkampagne, die das Land Anfang des Jahres eingeleitet habe. Nach der Rückkehr von den Seychellen nach Deutschland gilt nach derzeitigem Stand allerdings weiter eine Quarantänepflicht, denn die Inseln sind vom RKI als Hochrisikogebiet ausgewiesen.

Litauen

Bei der Einreise muss ein höchstens 48 Stunden alter negativer PCR-Test vorliegen. Alternativ kann man sich innerhalb von 24 Stunden an offizieller Stelle zur Testabnahme in Litauen registrieren oder den Test innerhalb dieser Zeit in einem privaten Labor in Litauen abnehmen lassen. Am Flughafen Vilnius werden kostenpflichtige Corona-Tests angeboten.

Italien

Italienurlaub (Symbolbild)

Italien verlängert zentrale Corona-Beschränkungen wie die Reisesperren im Land um rund einen Monat. Außerdem müssen alle Schulen in Hochrisiko-Gebieten, sogenannten Roten Zonen, schließen. Das teilte Gesundheitsminister Roberto Speranza in Rom mit. Ministerpräsident Mario Draghi unterschrieb am Dienstag ein entsprechendes Dekret. Während die neue Anordnung generell bis 6. April und damit über das Osterfest gilt, wurden die regionalen Reisebeschränkungen nur bis 27. März verlängert.

forum anders reisen

Der Tourismusverband „forum anders reisen“ hat gemeinsam mit seinen Mitgliedern ein Papier mit Kernthesen erarbeitet, wie der Tourismus von Morgen gestaltet werden muss. „Tourism For Future“ umfasst fünf Positionen zu Qualität, Fairness, Klimaschutz, Naturschutz und Menschenrechten. Der Verband für nachhaltiges Reisen appelliert damit an die Reisebranche, den Neustart des Tourismus zu nutzen, um Reiseangebote zukunftsfähig zu gestalten.

In dem gemeinsamen Statement bekennen sich die Verbandsmitglieder des forum anders reisen zur Umsetzung eines an zukünftigen Anforderungen orientierten Tourismus. Die, im „forum anders reisen“ organisierten und auf nachhaltige Reisen spezialisierten Reiseveranstalter beschreiben damit zusätzlich ihre eigenen Maßnahmen, mit denen sie zur Umsetzung beitragen wollen.

Petra Thomas, die Geschäftsführerin des Nachhaltigkeitsverbands beschreibt das so:

Nach einem Jahr des überwiegenden Stillstands im Tourismus ist es nicht nur existentiell wichtig, Wann wieder Reisen durchgeführt werden können, sondern auch Wie dieser Neustart aussieht“. (…) Die Pandemie hat gezeigt, auf welch wirtschaftlich fragilen Füßen die Branche steht. Es bedarf eines Umdenkens zu einem fairen und auskömmlichen Wirtschaften. Qualität ist wichtiger als Quantität und dies nicht nur in Hinblick auf Hygiene- und Infektionsschutzstandards, sondern auch im Hinblick auf Ressourcenschutz und Klimawandel. Auch wenn scheinbar das Thema des Klimaschutzes von der Agenda gewichen ist, so ist es doch eine Kernaufgabe der kommenden Jahre, die es zu bewältigen gilt.

Dafür gibt es fünf konkrete inhaltliche Positionen:

  1. Qualität vor Volumen – die Industrialisierung des Tourismus braucht nachhaltige neue Regeln! Wir sind für weniger Reisen, aber dann richtig und qualitätvoll.

  2. Fairness vor Profit – nur mit partnerschaftlichem Wirtschaften erfüllt der Tourismus seinen selbstgesteckten Anspruch auf Völkerverständigung und eine Perspektive für bessere Lebensumstände durch lokale Wertschöpfung.

  3. Klimaschutz als Verpflichtung – freiwillig war gestern. Die großen Player spielen mit Nachhaltigkeit und werden erst etwas tun, wenn sie müssen.

  4. Die Natur ist kein Spielplatz – nicht alles, was möglich ist, ist auch zulässig. Der Erhalt von Tier- und Pflanzenwelt ist Verantwortung des Tourismus.

  5. Der soziale Fußabdruck des Reisens zählt – bei Menschenrechten hört der Spaß des Reisens auf! Wir brauchen neue und konsequente ethische Grenzziehungen, um Menschenrechte und Kinderschutz im Tourismus zu gewährleisten.

Erste Veranstalter-Commitments mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung finden sich bereits auf der eigens gestalteten Webseite, weitere werden nach und nach ergänzt.

Lufthansa

Lufthansa Group bereitet sich nach einem operativen Verlust von 5,5 Milliarden Euro auf einen Nachfrageanstieg 2021 vor. Das gab die Airline gestern bei der Jahrespressekonferenz bekannt. Neben weiteren Kostensenkungen will man den Abfluss an Liquidität begrenzen.

Jahrespressekonferenz: Lufthansa CEO Carsten Spohr – Foto: Lufthansa

Lufthansa CEO Carsten Spohr erklärte:

Das vergangene Jahr war das herausforderndste in der Geschichte unseres Unternehmens für unsere Kunden, unsere Mitarbeiter und unsere Aktionäre. Reisebeschränkungen und Quarantäne haben zu einem einzigartigen Nachfrageeinbruch im Luftverkehr geführt. Jetzt müssen international anerkannte, digitale Impf-und Testnachweise an die Stelle von Reiseverboten und Quarantäne treten, damit Menschen wieder Familie und Freunde besuchen, Geschäftspartner treffen oder andere Länder und Kulturen kennenlernen können.

Mit Blick auf die künftige Entwicklung der Lufthansa Group deutete Spohr einen notwendigen Transformationsprozess an, der auch Modernisierung einschließe. Das Thema Nachhaltigkeit spiele dabei eine entscheidende Rolle. Es soll geprüft werden, ob alle Flugzeuge, die älter als 25 Jahre sind, dauerhaft am Boden bleiben. Die Hoffnung auf eine verstärkte Nachfrage im Sommer sei noch nicht abgeschrieben. LH sei darauf vorbereitet, kurzfristig wieder bis zu 70 Prozent der Vorkrisenkapazität anzubieten. Allerdings rechne er im Jahresverlauf eher mit 40 bis 50 Prozent des Angebots von 2019. Vor allem bei der Planung auf Ferienstrecken sei Flexibilität angesagt.

LH-Airbus A 350 – Foto: Lufthansa

Zur Modernisierung gehört wohl auch die neue Business Class. Bis 2025 will Lufthansa 20 neue Boeing 787-9 damit ausrüsten, die am Drehkreuz Frankfurt stationiert werden. Zudem könnten einige Airbus A350-900, die zwischen 2023 und 2029 ausgeliefert werden sollen, früher kommen, wenn die älteren Flieger tatsächlich früher ausgemustert werden. Auch dort soll die neue Business Class zum Einsatz kommen.

Condor klamm?

Alle Fluggesellschaften im Land, darunter auch Ferienflieger Condor, bangen um das Sommergeschäft und damit um die finanzielle Zukunft. CEO Ralf Teckentrup befürchtet schon bald wieder „frisches Geld“ zu brauchen, wenn das Geschäft nicht anlaufe. Einen Minus-Sommer bringe die komplette Reisebranche inklusive der Fluggesellschaften in Gefahr. Teckentrup hofft auf konkrete Reiseregeln und Reisekorridore seitens der Bundesregierung. Nur das werde die Buchungen anziehen lassen.

Foto: Condor / Jan Kornas

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