Am vergangenen Wochenende haben wir Menschenaufläufe erlebt, Demonstrationen mit mehreren tausend Menschen quer durch Deutschland, sehr oft ohne Mund/Nasen-Schutz und Einhaltung der vorgegebenen Abstandsregeln. Es gab übervolle Parkplätze in Baumärkten. Menschenmassen schickten sich an größere Einkaufsorgien zu feiern. Parallel gab es Meldungen aus mindestens vier Landkreisen in Deutschland, wo letztlich ein Zwangs-Lockdown folgen müsste, da die Zahl der Infizierten pro 100 Tausend Einwohner die magische Zahl 50 erheblich überschritten haben. Die Zahl der Verschwörungstheorien wächst ins Unermessliche. – Wo sind die gegenseitige Rücksichtnahme, der soziale Abstand, die Achtung vor dem Recht auf Unversehrtheit der Mitbürger geblieben? Das ist eine bedenkliche Entwicklung, die ganz schnell alle Erfolge aus den letzten Wochen gefährden kann. Wollen wir das wirklich riskieren? Wollen wir damit auch das sanfte Pflänzchen Hoffnung auf Öffnung und Verbesserung der Lebenssituation achtlos zertreten? Wenn nicht sehr schnell, die Tugenden der letzten Wochen in unser Verhalten zurückkehren, dann wird das nix mit dauerhafter Öffnung von Gastronomie, Hotels, Transport, Sommerurlaub und anderen Dingen, die wir haben möchten und die unsere Wirtschaft dringend braucht. Leute: Macht die erzielten Erfolge nicht innerhalb weniger Tage kaputt!
Angesichts dieser Situation könnten sich auch die vielen Nachrichten von Wiederaufnahme, Neustart und Hoffnung auf Freiheiten bald als nichtig erweisen.
Schleswig-Holsteins Öffnungsankündigung
Die Tourismusagentur Schleswig-Holstein (TA.SH) teilt heute mit:
Ab 18. Mai wieder öffnen dürfen:
- Beherbergungsbetriebe wie Ferienwohnungen oder Hotels (mit voller Kapazität)
- Gastronomiebetriebe (mit Beschränkungen der Gästezahl)
- Camping- und Wohnmobilstellplätze, soweit sich die Gäste völlig autark versorgen können; Toiletten werden geöffnet.
- Freizeit-Betriebe wie etwa Ausflugsschifffahrt oder Strandkorbvermietungen
- Um Menschenansammlungen an den sogenannten Hotspots zu vermeiden, können die schleswig-holsteinischen Kreise Beschränkungen des Tagestourismus anordnen. Hierunter fallen etwa Parkplatz-Sperrungen oder digitale Ticketsysteme für Orte und Strandabschnitte
Sämtliche Lockerungen für den Tourismus erfolgen unter strengen Auflagen hinsichtlich Hygiene, Abstand und Kontaktbeschränkungen, deren Umsetzung die Betriebe in eigens dafür angefertigten Hygiene- und Sicherheitskonzepten dokumentieren müssen.
Das sind theoretisch gute Nachrichten für den Tourismus im nördlichsten Bundesland. Auch bei diesen Öffnungen wird sich sehr schnell zeigen, wie gut die Selbstverantwortung der Gäste funktioniert und wie es um die Abstandsregelungen bestellt sein wird, wenn der Sommer einkehrt und beliebte Strände mehr Zuspruch bekommen, als gut sein könnte. Nicht umsonst weist die TA.SH Geschäftsführerin Bettina Bunge darauf hin:
„Schleswig-Holstein ist ein großartiges Reiseziel. Aufgrund der Corona-Pandemie wird aber in diesem Jahr jede Reise, ob privat oder geschäftlich, eine andere sein“
Setzen wir also positiv auf den Neustart und hoffen wir auf genügend Selbstdisziplin der Gäste.
TUI sieht sich auf gutem Weg
Ein Gesundheitscheck für alle angebotenen Reiseziele sei die zwingende Voraussetzung für den Start in einen sicheren Urlaub, betonte TUI-Chef Fritz Joussen in einem Interview mit Bild am Sonntag. Dieser sei ausgearbeitet und in einem Probelauf in Hotels auf Mallorca getestet. Damit könnte die Baleareninsel eines der ersten Auslandsziele sein, die wieder angeboten würden. Eine Erweiterung auf Dänemark, Österreich, Griechenland, Kroatien, Bulgarien und Zypern seien denkbar.
Wasser in „Reisewein“ der Branche
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht allerdings davon aus, dass eine Öffnung bestenfalls ab Anfang Juli, schlimmstenfalls jedoch auch erst zum Ende dieses Jahres stattfinden könne. Insgesamt sei für das Jahr aber mit einem Tourismuseinbruch von 60 bis 80 Prozent zu rechnen.
Türkei im Juni?
Dies steht im Widerspruch zu Ankündigungen einiger Zielgebiete, wie der Türkei. Dort soll der touristische Betrieb, unter Berücksichtigung der Hygienevorschriften bereits im Juni starten. Allerdings, so Tourismusminister Ersoy, sei die Voraussetzung ein entsprechend gutes Sicherheitsgefühl bei den potentiellen Urlaubern. Dafür sollen die Voraussetzungen geschaffen werden.
Inhaltlicher Aufbruch auf den Kanaren?
Die spanische Regierung investiert in einen „Nationalen Tourismusplan“. Der Hauptwirtschaftszweig des Landes soll massiv unterstützt werden. Vorreiter dürften dabei die Kanarischen Inseln werden. Aus Gran Canaria wurde bekannt, dass dort 5 Millionen Euro alleine in Imagemaßnahmen gepumpt werden sollen. 3 Millionen davon will man in die Tourismuswerbung investieren um das schwächelnde Image der Insel zu polieren.
Die Nachbarinsel Teneriffa denkt offensichtlich etwas genauer nach. Hier plant man einen grundlegenden Strukturwandel. Insbesondere in die Umweltverträglichkeit des Tourismus will man investieren, um die Kanareninsel langfristig in ein besonders nachhaltiges Urlaubsziel zu verwandeln.
Reisebranche wirtschaftlich gebeutelt
Die deutsche Reiseindustrie steht am Abgrund. Falls der diskutierte Rettungsfond nicht bald kommt, dürfte eine Pleitewelle bevorstehen. Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) prophezeite am Wochenende bis zu 1 Million Arbeitslose, alleine im Tourismus- und Gastgewerbe.
Luftfahrt
Staatliche Finanzhilfe nur mit strengen Vorgaben
Allenthalben machten hier Schlagzeilen von Unterstützung durch staatliche Investitionen die Runde. Air France bekam die benötigten Mittel bereits zugesagt. KLM und Lufthansa verhandeln noch. Der Dachkonzern IAG hat Ende letzter Woche davon gesprochen, ebenfalls Staatshilfen für seine Airlines (British Airways, Iberia) zu beantragen.
In diesem Zusammenhang gibt es eine Stellungnahme der EU-Kommission in Sachen Staatshilfe. Staatliche Unterstützungen gegen Aktien und Einfluss sollen nach den Äußerungen aus Brüssel bis Mitte des nächsten Jahres möglich sein. Gleichzeitig gibt es aber auch strenge Vorgaben. Dividenden und Bonuszahlungen fürs Management sind in diesem Zeitraum tabu. Gleichzeitig ist die betroffene Firma eingeschränkt in Sachen Kauf oder Übernahme von Konkurrenten, solange die staatlichen Zuschüsse nicht zum überwiegenden Teil zurückbezahlt sind.
Der französische Staat hatte seinem „National-Carrier“ zudem ein ordentliches Paket an Umweltengagement mit auf den Weg gegeben.
LH – Verhandlungen
In Sachen Unterstützung für Lufthansa könnte Bewegung kommen, nachdem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gestern Abend im ARD-Magazin „Bericht aus Berlin“ sagte, die Regierung wolle sich, trotz der Unterstützungszahlungen, aus dem operativen Geschäft der Airline heraushalten. Die Koalitionskollegen der SPD sehen hier aber noch Nachbesserungsbedarf in Sachen Arbeitsplatzsicherung. Die Forderung nach Streichung der Dividende dürfte, nach den Äußerungen aus Brüssel, aber an Gewicht gewinnen.
Airline-Insolvenz
Die kolumbianische Fluggesellschaft Avianca ist quasi pleite. Der Umsatzrückgang durch die Coronakrise habe bei über 80 Prozent gelegen. Mitte März musste die Gesellschaft ihren Flugbetrieb weitgehend einstellen. Der Dachkonzern der Gesellschaft beantragte gestern Gläubigerschutz. Damit soll es möglich werden, dass Avianca seinen Betrieb weiterführt, die Arbeitsplätze erhält und Zeit bekommt, sich wirtschaftlich zu regenerieren.
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