D-RR231 – Die Zwerge von Breslau / Wrocławskie Krasnale

Krasnal Papa - Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Deutsches Reiseradio im Zwergenland. Diesmal geht’s zu fröhlichen Zwergen mit ernster Vorgeschichte. Kommt mit zum zweiten Ausflug nach Breslau oder besser Wrocław.

Ich bin mit Monika, Renata und Mirko auf der Suche nach den prominentesten Bewohnern. Noch Eins vorweg: Wer Diskriminierung kleinwüchsiger Menschen befürchtet, liegt falsch. Das ist so ähnlich wie bei Schneewittchen und den sieben Zwergen, mit einem wichtigen Unterschied. Die Breslauer Zwerge (Wrocławskie Krasnale) haben einen politischen Hintergrund in der Stadtgeschichte der 1980er Jahre.

Krasnale als Werbeträger

Aus Wrocław wird Wroclove – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Sie sind zur Touristenattraktion geworden und zum Werbeträger von Wrocław. Heutzutage gibt es mehrere hundert Bronzezwerge, die überall in der Stadt zu finden sind. Ihre Existenz verdanken sie zunächst dem Stadtmarketing, das vor rund 20 Jahren damit begann, Bronzezwerge in Breslau aufzustellen. Inzwischen hat sich ihre Zahl vervielfacht. Die Stadt hat es längst aufgegeben über die Zahl Buch zu führen. Es müssten mindestens 400 sein. Mutige Schätzer gehen davon aus, dass ihre Zahl längst vierstellig geworden ist.

Vom Marketing zum wundervollen Werbemittel

Reporterzwerg von Radio 3 – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Vom Werbeträger für die Stadt wurden sie zusätzlich zu Werbeträgern von Hotels, Restaurants, Institutionen, Museen, Straßenbahnen und sogar Ausflugsschiffen. Es gibt zudem auch einige „private“ Zwerge, die Einwohner aus ganz eigennützigen Gründen aufgestellt haben. Wer einen Zwerg haben und aufstellen möchte, der kann und darf (Ein paar Regeln wird es vermutlich trotzdem geben).

Nach dem Zwerg war vor dem Zwerg

Der Satz lässt sich auch umgekehrt formulieren. Klar ist: Die bronzenen Zwerge von Wrocław hatten ein politisches Vorleben in den 1980er Jahren in den Zeiten der Proteste, Demonstrationen und Streiks. Es war die Zeit der Vorwende. Die Gewerkschaft Solidarnosc streikte und wurden insbesondere in Wrocław unterstützt.

Umzug (Demo) der “Orangen Alternative” Foto eines Fotos im Geschichtszentrum Zajezdnia

Orange vs. Rot

Die Breslauer Studenten gründeten mit der „Orangen Alternative“ eine Bewegung, die sich klar unzufrieden mit der politischen Situation in Polen zeigte. Protest wiederum war gefährlich. Also meldeten die Studenten Spaßumzüge an. Es gab Graffitis mit kritischen Inhalten in der Stadt. Diese wurden von den Behörden übermalt. Die Studenten wiederum verzierten die übermalten Wände mit Bildern von Zwergen. Farbe: Orange als Antwort auf das Rot der amtlichen Politik. Daraus entstand auch die Verkleidung zu Zwergen, mit orangen Jacken und Zwergenmützen bei weiteren Veranstaltungen.

An den Graffitiwänden prangten jetzt orange Zwerge und zurecht hofften die Studenten, dass sich Behörden nicht die Blöße geben würden, Bilder von bunten Zwergen ebenfalls zu übermalen. So wurde der „Zwergenaufstand“ von Breslau zum öffentlich sichtbaren und generellen Protest, ohne dass dieser inhaltlich ausgesprochen wurde. Letztlich führten die Proteste unterschiedlichster Art zum Erfolg. Kluge Menschen sagen noch heute, dass tiefgreifende Veränderungen und unsere „deutsche Wende“ ohne die Proteste der polnischen Bevölkerung nicht so einfach möglich gewesen wäre.

Solidarnosc – Zwerg – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Der erste Zwerg

Er heißt, völlig folgerichtig „Krasnal Papa“ (siehe Titelbild) und steht seit 2001 am Eingang der Fußgänger Zone in der Schweidnitzer Straße (Świdnicka) fast vor dem Eingang der Barbara Bar, Studentencafé, damaliger Treffpunkt der „Orangen Alternative“ und früher des Öfteren Startort der Zwergenumzüge.

„Krasnal Mama“ habe ich übrigens nicht gefunden. Die anderen Zwerge folgten dann ab 2005 und wurden nicht nur für Touristen, sondern auch für die Einwohner von Wrocław ein wichtiger Teil des Alltags. 

Mein erster Zwerg

Der Kronen-Zwerg vor meinem Hotel – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Meinen ersten Zwerg, treffe ich gleich am Morgen, direkt neben dem Eingang meines Hotels. Das heißt „Korona“ (Krone) und an der Tür steht natürlich ein Kronenzwerg. Etwa 20 bis 25 Zentimeter ist er groß, erwartet mich und spiegelt sich gar trefflich in der bis zum Boden reichenden Fensterscheibe des Hotels.

Es ist der ideale Treffpunkt für die Ausflüge durch Wrocław mit meinen Guides Renata und Monika.

Renata Bardzik-Miłosz – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Monika Trznadel – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Unsere Zwergentour

Drei Tage war ich in der Stadt auf der Suche nach Geschichten und – ganz nebenbei – auch nach Zwergen. Faustregel: Es dauert in der Regel nie länger als 5 Minuten, bis man in der Innenstadt auf einen oder mehrere Zwerge trifft. Wer es nicht dem Zufall überlassen will oder eine individuelle Verabredung mit bestimmten Zwerginnen und Zwergen hat, sollte sich im Tourismusbüro auf dem Rynek die offizielle „Zwergenkarte“ besorgen.

Interview mit einem Zwerg – Foto: Monika Trznadel für / ttb-media TON-TEXT-BILD

Waren die Themen und Geschichten meines Aufenthalts noch so unterschiedlich. Fast überall trafen wir Zwerge: Unterwegs und am Rechercheort.

Gefühlslage

Die vielen Zwerge sind anrührend, romantisch, lustig und doch haben sie einen wichtigen politisch-historischen Hintergrund. Das ist der Stoff, aus dem die Podcast-Themen sind: Die Zwerge von Breslau – Wrocławskie Krasnale.

Die Zwergengalerie

Metzgerzwerg / Fleischbänke – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Waschzwerg am Oderufer – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
Handicapped-Zwerge am Alten Rathaus – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD
“Ein Bisschen”, die Liebeszwerge – Foto: Rüdiger Edelmann / ttb-media TON-TEXT-BILD

Information

Alles über die Zwerge

Wrocław – Tourismus

Polen – Tourismus

Weiterer Podcast über Wrocław


Die Recherche für diesen Podcast wurde unterstützt Polen-Tourismus und dem Büro für Auslandszusammenarbeit der Stadt Wrocław. Meine Meinung wurde davon nicht beeinflusst. Für die Nutzung eingefügter Links auf dieser Seite erhalte ich keine finanzielle Beteiligung und habe keine Vorteile. Sie sind Teil der journalistischen Informationspflicht.


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